Das Hiroshima-Tor
Marie geendet hatte, war er so angespannt, dass sich sogar seine Frau darüber
wunderte.
Es war Ironie des Schicksals, dass er in seinem Leben immer das Abenteuer gesucht und in gewissem Maße auch gefunden hatte
– indem er mit einer deutschen Firma zusammen das Exportverbot nach Libyen umgangen hatte, durch einen Besuch bei seinem alten
Repräsentanten in Bagdad kurz nach Beginn der Besetzung, indem er für Verhandlungen in Baku zwei Leibwächter von einer Moskauer
Sicherheitsfirma engagiert hatte –, aber jetzt, da er
echte
Spannung aushalten musste, und auch noch auf heimischem Boden, war ihm das schlicht und einfach unangenehm.
Er hielt vor einem Kiosk aus Brettern an, der vor langem schon aufgegeben worden war. Die Fenster waren mit Spanplatten vernagelt,
darauf klebte Reklame für eine Tanzveranstaltung. Wäre alles gut gegangen, hätten sie jetzt KG B-Material in den Händen, das die amtierende Präsidentin vor Gericht bringen oder wenigstens ihre Wiederwahl verhindern würde.
Aber alles war schief gelaufen. Jetzt lebte er in der ständigen Angst, die Sicherheitspolizei könnte vor seiner Tür stehen.
Und dann stünden auch die Karriere seines Bruders als Journalist und natürlich Marjattas politische Laufbahn auf der Kippe.
Wenn aber etwas Schwerwiegendes gegen ihn vorläge, hätte die Polizei schon gehandelt. Oder worauf wartete der Idiot, der in
dem Restaurant ausgerastet war? Was hatte dessen Geschäftsangebot zu bedeuten? Der bloße Aufenthalt in Paris, selbst auf einer
bestimmten Brücke, war ja nichts Unrechtmäßiges.
Falls aber Tanja in Paris trotz aller Verbote etwas bei sich gehabt hatte, das auf ihn, Asko Lahdensuo, hindeutete – und wenn
es nur eine Telefonnummer im Handy oder auf einem Zettel |270| war –, wäre die Polizei sicherlich längst bei ihm gewesen. Oder war die internationale Zusammenarbeit der Polizei so zäh? Wie
lange dauerte es, bis die finnischen Behörden von den französischen um Amtshilfe gebeten wurden?
Asko konnte noch immer nicht begreifen, was auf dem Pont Marie passiert war. Er hatte mit Tanja ein Treffen in einem Café
auf der Île Saint-Louis vereinbart, und dann war er auf dem Weg dorthin mitten auf der Brücke Zeuge eines Mordes geworden.
Er verstand, dass Tanja versucht hatte, die Diskette zu retten, die dieser zufällige Taschendieb in den Fluss geworfen hatte,
aber wer hatte Tanja umgebracht?
Asko ließ den Motor laufen und tastete nach dem dicken Briefumschlag in seiner Tasche. Die 50 0-Euro -Scheine nahmen nicht viel Platz weg. Er war nicht dazu gekommen, Tanja für die Diskette Geld zu geben – er hatte ja nicht
einmal die Diskette bekommen, aber er war sicher gewesen, dass der Zahltag trotzdem irgendwann kommen würde.
Mit einem metallischen Geschmack im Mund sah er in die Dunkelheit. Hinter dem Kiosk trat eine Gestalt hervor, die er kannte.
Mit energischen Schritten kam sie auf den Wagen zu. Asko machte die Tür auf, und die Frau setzte sich auf den Beifahrersitz.
»Du bist spät«, sagte Heli Larva unfreundlich.
|271| DRITTER TEIL
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Heli Larva streckte die Hand aus und sagte zu Lahdensuo: »Das Geld.«
»Du wirst sicher verstehen, dass der Preis für die
Original-Diskette
gedacht ist. Nur die hätte Beweiskraft. Eine Kopie nützt gar nichts.«
»Versuchst du es immer noch?«, entgegnete Heli leise und nahm das Telefon aus der Tasche. Sie hatte Arkadis Nummer bereits
gewählt, sie bräuchte nur noch eine einzige Taste zu drücken.
»Steck das Telefon weg!«, sagte Lahdensuo scharf und zog seinerseits einen Briefumschlag aus der Tasche. »Heli, lass uns das
vernünftig durchziehen ...«
»Dann fang nicht an zu feilschen. Weißt du, da sitzt jemand hundert Meter von hier im Auto und wartet auf meinen Anruf.«
Heli hatte den Treffpunkt sorgfältig ausgewählt. Er lag östlich von Loviisa, abgelegen zwischen Keitala und Björkböle.
Lahdensuo warf ihr das Kuvert hin. »Ich weiß nicht, wem dein Russe sonst noch etwas verkauft, angeboten oder über die Diskette
gesagt hat, aber dieser Jemand hat in Paris zu ziemlich groben Maßnahmen gegriffen, um sie in seinen Besitz zu bekommen.«
»Was meinst du damit?«
»Nichts. Mach schnell jetzt.«
Heli öffnete den Umschlag und prüfte die Geldbündel darin. Bei Lahdensuo musste man immer auf der Hut sein. Schon vor zwanzig
Jahren an der TH war er der Junge mit der härtesten |274| Schale gewesen. Kein Wunder, dass er in die freie Wirtschaft
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