Das Hiroshima-Tor
herausbilden können. Dann säßen hier
jetzt zwei Tintenfische, die sich den Kopf darüber zerbrechen würden, ob es irgendwo dort draußen andere Wirbellose mit acht
Tentakeln gäbe, hatte Soile sehr zu Aaros Vergnügen orakelt.
Und dann würden die Tintenfische sich ausmalen, dass sich theoretisch sogar aus den Affen oder ihren zweibeinigen Verwandten
intelligentes Leben entwickeln könnte, so unglaublich das auch schien, hatte Aaro hinzugefügt.
Timo dachte an Soile, obwohl das seine Anspannung nur weiter wachsen ließ.
Heli Larva schaute dem Mann mit der Halbglatze und den Eichhörnchenzähnen, der sie in dem kargen Vernehmungszimmer der SiPo
verhörte und sich als Ari Blomberg vorgestellt hatte, ruhig in die Augen. Er hielt ihrem Blick stand.
»Wir haben bei Ihnen 155000 Euro in bar gefunden », sagte er. »Woher kommen die?«
Heli wandte den Blick ab. »Ich beantworte keine Fragen, bevor ich nicht einen Anwalt bekomme.«
»Sie haben von Timo Nortamo Informationen über den Fortgang der Ermittlungen im Fall Olkiluoto erhalten«, sagte Bomberg, ohne
mit der Wimper zu zucken. »Wann hat euer Verhältnis angefangen?«
|332| Am liebsten hätte Heli über solch einen verzweifelten Versuch gelächelt, aber sie hielt ihre Miene neutral und überlegte sich,
was sie sagen sollte. Sie könnte mit kalter Ruhe die Existenz eines Verhältnisses bestätigen.
»Ich sagte schon, dass ich nicht auf Fragen antworte«, sagte sie. Sie musste sich Munition für die eigentliche Schlacht aufsparen.
Es gab da aber noch einen Grund, den sie sich nicht einmal selbst eingestehen wollte. Trotz allem hatte sie nämlich das Gefühl,
mit Nortamo auf einer Wellenlänge zu sein. Der Mann war geradeheraus und verschlossen. Das sprach sie an, ob sie das wollte
oder nicht.
Schade nur, dass er ausgerechnet eine Frau wie Soile geheiratet hatte.
Soile nahm in Genf die Straße nach Süden, die in die Alpen und nach Villnaz führte. Über den Weinbergen rechts und links der
Strecke und der gezackten Bergsilhouette in der Ferne setzte die Abenddämmerung ein.
Soile hatte sich in den zurückliegenden Tagen Sorgen wegen Timo und dessen Verhalten gemacht. Am Nachmittag hatte ein Anruf
von TERA aus Brüssel ihre Sorge weiter verstärkt. Warum hatte Timo ihr nicht von seinem Rauswurf erzählt?
Sie machte sich über mögliche Gründe Gedanken, fand aber keine nahe liegende Erklärung. Normalerweise sprach Timo relativ
offen über seine Probleme. Manchmal warf er sogar ihr vor, etwas in sich hineinzufressen.
Sie ärgerte sich, dass Timo ausgerechnet in dem Moment von dem Verhältnis zwischen ihr und Patrick erfahren musste, als er
seinen Job verlor. Das war einfach zu viel.
Sie tröstete sich allerdings mit dem Videoausschnitt, den ihr Heli Larva geschickt hatte. Was Timo ihr über die Entstehung
der Aufnahme gesagt hatte, nahm sie ihm zwar ab. Trotzdem konnte sie nur mit Mühe der Verlockung widerstehen, Heli als Vorwand
zu benutzen, um sich weiter von Timo zu distanzieren.
|333| Oder war es möglich, dass Timo sich auf Heli eingelassen hatte, einfach weil er die Gelegenheit dazu gehabt hatte? Wie Bill
Clinton: »Ich habe es getan, weil ich die Chance hatte, es zu tun ...«
Heli Larva war auf ihre Art attraktiv, und während des Studiums hatte sie eine Menge Beziehungen gehabt. Beim CERN hatte sie
einen britischen Wissenschaftler kennen gelernt, der ihretwegen sogar nach Finnland gekommen war. Soile hatte Heli mit diesem
Lucas Cahill damals im Musikclub
Tavastia
gesehen. Jahre später war sie in einer Veröffentlichung der Universität Birmingham auf den Namen Cahill gestoßen. Seitdem
war der Mann von der Bühne der Wissenschaft fast so spurlos verschwunden wie Heli.
Je mehr sich Soile an die Ansichten erinnerte, die Heli in der Studienzeit vertreten hatte, umso mehr verabscheute sie die
Frau. Fanatiker, die auf einem Auge blind waren, mussten immer als gefährlich gelten, und wenn jemand auf einem Auge blind
war, dann Heli Larva. Es war leicht, die Atomkraft zu kritisieren, wenn man die Augen vor den Tatsachen verschloss. Selbst
die eingefleischtesten Atomkraftgegner unter den Wissenschaftlern gaben mittlerweile zu, dass man die Kernenergie vorläufig
noch brauchte, um eine Klimaveränderung zu verhindern, die das Leben auf dem gesamten Planeten bedrohte. Jedenfalls bis eine
bessere Alternative gefunden war. Das bewies doch, dass diese Wissenschaftler über Moral und
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