Das Hiroshima-Tor
genauso eine Hure wie ich. Mit Vergnügen gibst du das, was du kannst, demjenigen,
der dafür sein Portemonnaie aufmacht.«
Perrys Augen glühten vor Zorn. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass man das Gehirn eines Wissenschaftlers mit Geld in Gang
setzen kann.«
»Nicht mit Geld, aber mit dem Brot, das man sich damit kauft. Das Brot wiederum gibt dem Forscher die Möglichkeit, sich selbst
zu verwirklichen.« Baumgarten schlürfte an seinem Budweiser und redete schnell weiter, bevor Perry sich einschalten konnte.
»Worin besteht denn die Aufgabe der Wissenschaft? Die Wahrheit zu suchen und den Menschen zu dienen und sich für das Wohl
der Menschheit einzusetzen? Warum will der Forscher die Lösung für ein Problem finden? Ich sag es dir, Dave. Um das Ziel zu
erreichen, das er
sich selbst
gesteckt hat. Um seinen Namen |324| in die Öffentlichkeit zu bekommen. Um seinen alten Studienkollegen und seinem Schwiegervater zu zeigen, was für ein Genie
er ist.«
»Totaler Quatsch. Forschen und Neugier sind Grundbedürfnisse des Menschen. Sieh dir die Kinder an ... Was sind ihre ersten Wörter? ›Warum?‹, ›Wieso?‹. Das ist der Kern des Ganzen. Weißt du ...«
»Deine Pizza wird kalt, Dave«, unterbrach Novak. Er fuhr sich durchs Haar und sah Baumgarten an. »Sollten wir über etwas entschiedenere
Mittel im Keller nachdenken?«
»Wenn du damit die klassische Folter meinst: vergiss es. Das funktioniert bei dieser Frau nicht. Durch Folter kriegt man niemals
raus, was jemand
wirklich
für sich behalten will.«
»Bist du sicher?« Novak stand auf.
Baumgarten wollte nicht insistieren. Er kannte sich aus. Die übelsten Methoden stammten aus der Sowjetunion der fünfziger
Jahre. Da hatte man den Gefangenen dünne Stahlnadeln in den Schädel geschlagen, ihnen »die Handschuhe ausgezogen«– ihre Hände
in kochendes Wasser gesteckt und dann die Haut abgezogen – oder sie in Kammern gesetzt, denen man nach und nach den Sauerstoff
entziehen konnte. In der Praxis der amerikanischen Geheimdienstwelt aber ging man davon aus, dass die Androhung von Schmerzen
beim Klienten mehr Angst auslöste als die Schmerzen selbst.
Jørgensen ging die Carrer dels Cavallers entlang, hielt sich dabei aber im toten Winkel des von den Amerikanern bewohnten
Hauses. Die Gegend war grün und ruhig. Ein paar Blocks weiter läutete dumpf die Glocke des Klosters Pedralbes zur Messe.
Im Schatten einer Ulme blieb Jørgensen stehen und blickte auf das zweihundert Meter entfernte Haus. Es stand am Hang, war
zweistöckig mit rotem Ziegeldach. Auf dem Grundstück wuchsen Oleander, Palmen und Eukalyptusbäume, aber zwischen dem üppigen
Bewuchs und dem Haus lagen mehrere Meter |325| Rasenfläche. Es war äußerst schwierig, hier heimlich einen Sender anzubringen.
Die Benutzung eines Lasermikrofons war dagegen möglich. Das konnte in einigem Abstand vom Fenster stehen. Die Worte brachten
die Fensterscheibe zum Vibrieren, und das Gerät, das auf Interferenz basierte, zeichnete die Vibration auf und verwandelte
sie in Schallwellen.
Eine Joggerin näherte sich Jørgensen, weshalb er sich umdrehte und mit raschen Schritten zu seinem Wagen zurückging. Der Vorsprung
der Amerikaner wuchs von Minute zu Minute.
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Der Wind vom Meer bog die Zweige der Bäume vor der Dienstvilla der Präsidentin und wirbelte orangerote Ahornblätter im Schein
der Gartenbeleuchtung auf. Rautio hatte seinen Wagen neben der Seiteneinfahrt geparkt. Er saß neben der Präsidentin auf dem
Rücksitz.
»Nortamo versteht nicht, dass die Gesamtinteressen des Staates bisweilen schwerer wiegen als das Schicksal einzelner Personen«,
sagte der Chef der Sicherheitspolizei.
»Du sollst nicht philosophieren, sondern bei der Sache bleiben«, sagte die Präsidentin.
»Man muss Nortamo die Glaubwürdigkeit nehmen. Und das dürfe nicht schwer fallen, nachdem diese Videoaufnahme im Computer von
Heli Larva gefunden worden ist. Er dürfte aber wohl kaum etwas in der Hand haben, womit er die Echtheit der KG B-Diskette beweisen könnte. Falls Nortamo doch etwas durchsickern lässt, briefen wir ein paar Journalisten. Wir erzählen ihnen etwas
von Burn-out, und dass er gefeuert wurde. Wenn nötig sogar von einem Verhältnis mit der Larva. Die übrigens ein wesentlich
härterer Brocken zu sein scheint, als wir gedacht haben ... Von der CIA ist heute morgen eine Bitte um Amtshilfe eingegangen. Wie es aussieht, hat sie nichts mit der
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