Das Hiroshima-Tor
wartete.
Todd und sein Kollege stiegen die letzten Stufen zum Gang im ersten Stock hinauf. Die Tür von Zimmer 27 war fünf Meter von
ihnen entfernt.
Mit wenigen Sätzen waren die Männer an der Tür. Beide zogen ihre Pistolen. Der eine schob den Schlüssel ins Schloss und öffnete
mit raschen Bewegungen die Tür. Im selben Augenblick schlüpfte der andere mit vorgehaltener Waffe hinein und sagte: »Keine
Bewegung!«
Das Zimmer war leer. Es brannte Licht. Der Mann sprang zur Badezimmertür und riss sie auf.
Niemand.
Es waren keine Sachen und keine Koffer zu sehen. Die Männer verließen das Zimmer und gingen in die Eingangshalle hinunter.
Die Frau am Empfang sah sie verdutzt an.
»Das Zimmer ist leer«, sagte Todd. »Das Restaurant?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Wir haben nur einen Frühstücksraum.«
Die Männer liefen hinaus. Der dritte kam hinter der Ecke hervor. Ohne ein Wort zu sagen, nahm Todd aus dem Kofferraum des
großen Peugeot französische Nummernschilder und klebte sie auf die Schweizer Schilder. Alle drei stiegen in den Wagen, der
gleich darauf mit scharfen, schnellen Lenkbewegungen in die Ortsmitte von Villnaz und von dort weiter in Richtung Autobahn
fuhr.
Timo steuerte den Wagen auf einer schmalen, gewundenen Straße durch die Weinberge. Bis zur Autobahn Annecy – Genf waren es drei Kilometer. Die Entscheidung, das Hotel zu verlassen, hatte sich aus der Summe mehrerer Aspekte ergeben,
von denen der Anruf, den Soile an ihrem Arbeitsplatz erhalten hatte, am schwersten wog. Sie würden die Nacht in einem anderen
Hotel verbringen und Soiles Mietwagen am nächsten Morgen holen.
|346| »Kennst du den Quastenflosser? Latimeria?«, fragte Timo. »Das Lebewesen, das eigentlich ein prähistorisches Fossil sein sollte,
bis eines davon lebend gefunden wurde?«
Zu Timos Erleichterung nickte Soile. Es gab wenigstens etwas, von dem sie wusste, dass er es sich nicht ausgedacht hatte.
»Isama Nishikawa hat die Gene des Quastenflossers untersucht. Sie haben sich über Hunderte Millionen Jahre fast unverändert
erhalten ...« Timo hielt mit einer Hand das Lenkrad und knöpfte mit der anderen sein Hemd auf.
»Was tust du da?«, fragte Soile. Zu Timos Erleichterung war ein Hauch der alten Fürsorglichkeit und Wärme in ihre Stimme zurückgekehrt.
Er knipste die Innenbeleuchtung an, machte das Hemd weit auf und legte den Aufdruck des weißen T-Shirts , das er darunter trug, frei. »Das ist der Anfang der DN S-Genkarte des Quastenflossers. Genau der Teil, den Isama Nishikawas Team als Erstes geknackt hat.«
Soile starrte auf Timos Shirt. »Woher ...«
»Ich bin nach Barcelona geflogen, um die Witwe von Nishikawa zu treffen, aber sie müssen sie schon vor meiner Ankunft abgefangen
haben. Ich bin direkt von Barcelona hierher gekommen.«
Timo spürte, dass Soiles Skepsis sich von Minute zu Minute auflöste. Eine Wissenschaftlerin konnten nur konkrete Beweise überzeugen.
Aber vielleicht beruhigte sie auch Timos Verbindung zu anderen Wissenschaftlern in dieser Sache.
»Eine Kollegin der Nishikawa hat mir erzählt, diese habe ein höchst emotionales Verhältnis zu der ersten entschlüsselten DN S-Sequenz des Quastenflossers. Auch in der Gedenktafel auf dem Grab ihres Mannes ist ein Quastenflosser eingraviert. Das habe ich mit
eigenen Augen auf dem Friedhof gesehen«, fuhr Timo fort, den Blick auf die kurvenreiche Straße gerichtet. »Aber entscheidend
ist Yoshima Nishikawa, hinter dem schon vor fünfzehn Jahren jemand her gewesen ist.«
»Wie gesagt, Yoshima Nishikawa gehörte zu den führenden |347| Antimaterieforschern der Welt.« Eine neue, noch immer leicht von Ungläubigkeit durchsetzte Wachsamkeit schien Soile erfasst
zu haben. »Ich habe das Material über ihn dabei.«
»Ich glaube nicht, dass der Autounfall, bei dem er ums Leben kam, echt war. Er ist mitsamt seinen Kollegen umgebracht worden.
Warum? Damit er nicht reden konnte. Worüber? Über etwas, in das er als Experte eingeweiht sein musste.«
»Und was hätte das sein können?«
Timo warf Soile einen raschen Blick zu, musste sich dann aber wieder auf die Straße konzentrieren. Vor ihnen senkte sich eine
Bahnschranke, begleitet vom lauten Schrillen einer Glocke. Timo hielt an.
»Ich sagte doch schon, dass ich es nicht weiß. Aber in der Ereigniskette taucht ein Historiker auf, demzufolge einige im Mittelalter
angefertigte Karten auf einer Technik beruhen, die erst Hunderte von Jahren
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