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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nirgendwo mehr hinfahren, um ihren Hochzeitstag zu feiern.
    Soiles rascher Blick und die Irritation in ihren Augen steigerten seinen Schmerz. Auf einmal beherrschten nicht mehr die Verfolger
     seine Gedanken und auch nicht Nishikawas Antiteilchen, sondern die Tatsache, dass Soile ihn betrogen hatte.
    Im Nu änderte sich das aber wieder, als die Verfolger auf der wenig befahrenen Autobahn auf die Überholspur wechselten. Timo
     hatte nach der Anfangsbeschleunigung vergessen, weiter Gas zu geben, jetzt trat er wieder aufs Pedal.
    »So.
Bilde ich mir ein
, dass die uns folgen?«, fragte er bitter.
    Er blickte nicht auf den Tacho, registrierte aber mit halbem Auge, dass der orangefarbene Zeiger in einer Position war, die
     er nie zuvor erreicht hatte, nicht einmal auf deutschen Autobahnen ohne Tempolimit. Er hielt das Lenkrad umklammert und betete
     innerlich, es möge bei dieser Geschwindigkeit kein Reifen platzen.
    »Wenn sie es auf gleiche Höhe schaffen, versuchen sie womöglich, uns mit gezogener Waffe zum Halten zu zwingen«, rief Timo
     über das Heulen des Motors hinweg. »Geh in Deckung!«
    »Wo denn?«
    »Im Fußraum. Schieb den Sitz nach hinten.«
    »Mach dich nicht lächerlich   ...«
    »Tu was ich dir sage!«
    Timos Blickfeld verengte sich zu einem Tunnel. Selbst wenn er noch so schnell auf ein vor ihm auftauchendes langsameres Fahrzeug
     oder Hindernis reagierte, würde der Bremsweg nicht ausreichen.
    Die Büsche am Straßenrand und die Schilder huschten als Band vorbei, der Fahrtwind rauschte trotz geschlossener Fenster. Die
     Autos auf der rechten Spur, die in Normalgeschwindigkeit fuhren, schienen ihnen aufgrund des Tempounterschieds entgegenzukommen.
     Timo wusste, dass die kleinste falsche Bewegung Soile und ihn binnen eines Augenaufschlags in den Tod reißen würde.
    |353| Weit vor ihnen erschien ein orangefarbenes Licht. Obwohl Timo sofort bremste, kam das in x-Form blinkende Warnschild mit rasender
     Geschwindigkeit näher, dahinter ein zweites und ein drittes. Die linke Spur war gesperrt, und auf der rechten leuchteten die
     Bremslichter eines Lieferwagens auf. Mit aller Kraft trat Timo das Bremspedal durch.
    Den Aufprall konnte er in letzter Sekunde verhindern, doch sein Blick in den Spiegel zeigte, dass das Auto hinter ihnen wie
     ein Geschoss näher kam. Er schlug die Handfläche auf die Hupe im Lenkrad und gab dem Lieferwagen vor ihm die Lichthupe, aber
     der kam nicht schneller voran, da vor ihm noch zwei andere Fahrzeuge krochen.
    Die Verfolger waren jetzt hundert Meter hinter ihnen. Timo trat aufs Gas und lenkte den Wagen entschieden auf die gesperrte
     Spur. Die Plastikkegel flogen nur so zur Seite, und der Wagen geriet durch die heftige Lenkbewegung ins Schlingern. Schottersteine
     knallten gegen den Unterboden, und für einen Augenblick kam es Timo so vor, als wären die Räder auf einen Kugelteppich geraten
     und nicht mehr zu steuern. Die linke Ecke der Stoßstange berührte einen Betonklotz auf der Baustelle.
    Panisch suchte Timo nach einer Möglichkeit, wieder auf die Fahrspur zu kommen, aber der Weg war versperrt, denn die provisorische
     Fahrbahnbegrenzung aus Beton war einen halben Meter hoch. Schon kam ihnen ein gestreiftes Hindernis entgegen, hinter dem der
     Asphalt komplett aufgerissen war.
    Sie saßen fest. Und auf einmal wurde Timo ganz ruhig. Alles, was er tun konnte, war getan. Nun würden sie auch den Rest hinbekommen.
     »Steig sofort aus, wenn ich es dir sage«, rief er Soile zu.
    »Fahr von dem Betonsockel weg, damit ich die Tür aufbekomme«, rief sie zurück. Auch sie blieb ganz ruhig.
    Timo versuchte es, aber es war unmöglich, denn er bekam die Räder nicht mehr über die Schwelle, die durch die Straßenarbeiten
     entstanden war.
    |354| Von hinten kamen die keilförmigen Lichter näher. Der Peugeot hatte es gemacht wie sie und war jetzt keine fünfzig Meter mehr
     hinter ihnen. Timo riss die Fahrertür auf. »Komm hier raus!«
    Er stieg aus und über die Fahrbahnbegrenzung.
»Komm!«
    Als er sich umblickte, kroch Soile gerade erst über die Mittelkonsole, dabei war der Peugeot schon bis auf wenige Meter herangekommen.
    Bevor das Auto richtig zum Stehen kam, ging auf der Fahrerseite die Tür auf, und ein französischer Polizist in Uniform stieg
     aus.
    Soile schaute ihn an und blieb, wo sie war.
    »Beeil dich!«, rief Timo.
    »Ich komme nicht mit«, entgegnete Soile.
    »Sei nicht verrückt   ...«
    »Hörst du? Ich komme nicht mit.«
    Timo biss die Zähne zusammen.

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