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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einen Weg
     finden, Antimaterie herzustellen und mit ihr umzugehen   ... dann wäre das eine absolut revolutionäre Erkenntnis. Verstehst du? Wenn sich Materie und Antimaterie berühren, vernichten
     sie sich gegenseitig. Und zwar vollständig.«
    Das Auto, das ihnen folgte, störte Timo. Es hielt einen Abstand von vierzig, fünfzig Metern und hing nicht direkt an der Stoßstange,
     wie es die Autofahrer aus der Gegend üblicherweise taten. Er verlangsamte das Tempo ein wenig und sah in den Spiegel. Auch
     das Auto hinter ihnen reduzierte die Geschwindigkeit. Das war in Frankreich nun wirklich nicht üblich.
    »Antimaterie würde der Menschheit eine unerschöpfliche Energiequelle bieten und eine Waffe mit radikaler Zerstörungskraft |350| , die auch noch sauber wäre und nichts verstrahlen würde«, fuhr Soile fort.
    »Du sprichst fast voller Bewunderung von dieser schrecklichen Waffe.«
    »Nein. Ich sehe sie bloß aus dem Blickwinkel der Wissenschaftlerin.«
    »Schade, dass die Entdecker der Atombombe auch so gedacht haben. Außer Oppenheimer, der sich im letzten Moment doch noch an
     die Verantwortung des Wissenschaftlers erinnerte.« Timo beschleunigte nach und nach und behielt den Spiegel im Auge. Auch
     das andere Auto beschleunigte. »Müsste nicht jede Staatsmacht, die etwas auf sich hält, versuchen, sich Antimaterie zunutze
     zu machen?«
    »Natürlich. Aber es ist nicht leicht, mit ihr umzugehen. Die Welt setzt sich aus Materie zusammen, und die Antimaterie darf
     nicht mit ihr in Berührung kommen, sonst kommt es zur Vernichtung. Bis jetzt ist in der Frage der Speicherung kein Durchbruch
     in Sicht.«
    Timo registrierte das Straßenschild: ein Kilometer bis zur Autobahnauffahrt. Das Auto hinter ihnen gab plötzlich Gas. Vielleicht
     reagierte es ebenfalls auf die näher rückende Autobahn. Timo beschleunigte ebenso heftig.
    »
Bei uns
ist kein Durchbruch in Sicht«, rief er, während er mit viel zu hoher Geschwindigkeit in eine scharfe Kurve fuhr. »Aber jemand
     anders kann Antimaterie schon als Treibstoff benutzt haben. Und etwas davon hier zurückgelassen haben.«
    »Hoffentlich nicht«, sagte Soile einen Grad ernster als zuvor.
    Vor ihnen tauchte ein überbreiter Sattelschlepper auf, an dem orangefarbene Signallichter blinkten und der mit einem großen
     Schild versehen war: Convoi Exceptionnel. Timo musste heftig bremsen, denn durch die Kurve war ihm die Sicht versperrt gewesen.
    »Wieso ›hoffentlich‹?«, fragte er, in dem Versuch, sich sowohl aufs Fahren als auch auf Soiles Worte zu konzentrieren.
    »Je nach Menge kann Antimaterie alles im Umkreis von ein |351| paar Metern bis zu Tausenden von Kilometern vernichten«, sagte Soile und hielt sich am Türgriff fest. »Ein kleiner Brocken
     reicht für den ganzen Globus.«
    Das Auto hinter ihnen berührte jetzt schon fast ihre Stoßstange, aber plötzlich war Timo mehr durch Soiles Worte beunruhigt
     als durch das andere Fahrzeug.
    Nach der Kurve schaltete Timo herunter und trat aufs Gas.
    Ein kleiner Brocken reicht für den ganzen Globus.
    Sie zogen an dem LKW, der einen riesigen Stahlzylinder transportierte, vorbei und ließen ihn bald hinter sich, aber Timo hatte
     im Schein des orangefarbenen Blinklichts Soiles Gesicht gesehen. Ein wunderschönes Gesicht. Seine Soile.
    »Wenn du dir aber einbildest«, sagte sie, »dass irgendwo   ...«
    »Bilde ich mir vielleicht ein, dass uns das Auto da hinten folgt?«, fuhr Timo sie an. »Bilde ich mir die Morde ein? Bilde
     ich mir die Amerikaner in unserem Wohnzimmer ein?« Er nahm ein klein wenig den Fuß vom Gas. »Da ist die Autobahnauffahrt.
     Halt dich fest, ich mache gleich eine abrupte Wendung.«
    »Und dann?«
    »Versuche ich zur Polizei in Annecy zu kommen. Sie sind dreist, aber wohl kaum so dreist, dass sie dort randalieren werden.«
    Timo setzte den Blinker, als wollte er in Richtung Genf auffahren, lenkte dann aber abrupt in Richtung Annecy. Er ging nicht
     davon aus, dass dieses primitive Täuschungsmanöver den Insassen des anderen Wagens mehr als ein müdes Grinsen entlocken würde.
    Er hatte Recht: Das Auto hinter ihnen wechselte problemlos die Richtung. Timo trat das Gaspedal durch, und der Wagen schoss
     los.
    »Wie weit ist es bis Annecy?«, fragte Soile.
    »Höchstens zwanzig Kilometer. Erinnerst du dich nicht? Wir waren vor einem Jahr dort.«
    Timo sprach den Satz betont nüchtern aus – er wollte nicht in einer entzündeten Wunde stochern. Im nächsten Jahr würden |352| sie

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