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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Er würde Soile nicht gewaltsam mitzerren können, er würde es aber auch gar nicht mehr schaffen,
     denn der Polizist rannte bereits auf sie zu.
    Timo schnappte sich Soiles Tasche und stürzte in die Dunkelheit. Aus welchem Grund wurden sie von der französischen Polizei
     gehetzt? Timo kletterte über die zweite Betonschutzwand und hörte hinter sich den Ruf:
»Arrêtez!«
    Der Rufer war tatsächlich Franzose und nicht Amerikaner. Timo verspürte große Erleichterung. Vielleicht handelte es sich tatsächlich
     nur um eine Verkehrsstreife. Die Amerikaner konnten ja nicht so ohne weiteres französische Polizisten nach ihrer Pfeife tanzen
     lassen. Aber er hatte allen Grund, auf freiem Fuß zu bleiben. Niemand würde ihnen helfen, wenn sie beide in die Fänge der
     Polizei gerieten. Für Soile konnte er in diesem Moment nichts mehr tun.
    Er stolperte über das Geländer auf dem Grünstreifen, der die beiden Fahrbahnen trennte. Ein Auto kam mit hoher Geschwindigkeit
     näher. Er blickte sich um und sah, dass der Mann in der dunkelblauen Uniform ihm folgte.
    |355| Timo stürzte so knapp vor dem Auto über die Straße, dass der Fahrer abrupt ausweichen musste und auf die Hupe drückte, aber
     da stieg Timo bereits auf der anderen Seite über die Leitplanke. Er rannte die Böschung hinunter und blieb nach einer Weile
     atemlos stehen. Der französische Polizist war nicht mehr zu sehen.
    Timo versuchte, seinen Wagen zu erkennen, aber hinter den Büschen und dem Betongeländer auf dem Mittelstreifen blinkte nur
     das blaue Licht auf dem Zivilfahrzeug der Polizei.

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    Soile ließ es geschehen, dass ihr in grober Manier Handschellen angelegt wurden. Sie war zum Peugeot der Polizei geführt worden.
    Neben ihr auf dem Rücksitz saß ein Mann, der ein Funkgerät aus der Tasche zog.
    »Wir haben die Frau«, sagte er zu Soiles Überraschung in breitem, amerikanischem Englisch.
    »Wer sind Sie?«, fragte Soile atemlos. Der Mann gefiel ihr überhaupt nicht.
    Der Amerikaner gab keine Antwort.
    Soile versuchte ihre Gedanken zu ordnen. War Timo entkommen?
    Die Vordertür ging auf. Der sommersprossige Polizist, der sie festgenommen hatte, setzte sich auf den Fahrersitz. Er trug
     jetzt keine Uniform mehr, sondern eine Lederjacke.
    »Gib durch, dass der Mann entwischt ist«, sagte er wütend.
    Soile wurde von der Angst überwältigt.
     
    Timo lief in einigen Metern Abstand an der Autobahn entlang. In der Hand trug er Soiles Tasche. Nur selten rauschte ein Fahrzeug
     vorbei. Seine Beine waren schwer, vom Rennen brannte es noch immer in seinen Lungen.
    Er begriff, dass seine Chancen, Soile zu befreien, gering waren. Auf keinen Fall konnte er sich der Polizei in Annecy nähern,
     mit der die Amerikaner offenbar in irgendeiner Form zusammenarbeiteten, denn dann würden sie ihn sofort festnehmen. Das würde
     Soile und ihm selbst am allerwenigsten helfen.
    |357| Aber er brauchte Hilfe. Allein würde er es nicht schaffen.
    Wenn er doch nur Wilson von der Bedeutung des Ganzen überzeugen könnte. Dann würden TERA und die größten E U-Mitgliedsstaaten sofort eine Gegenoperation starten. Europa
musste
schneller sein als die Amerikaner und Chinesen.
    Oder war das nur ein Wunschtraum? Taugte das vereinte Europa überhaupt als Gegengewicht? Zu den Amerikanern? Zu China?
    Es bestand keine Unklarheit darüber, auf welche Seite sich Wilson und die Interessengruppen in London stellen würden: auf
     die der Amerikaner   ...
    Daher war es nicht nur vergebens, sondern auch gefährlich, sich an die TERA zu wenden.
    Timo überlegte, ob er es mit einer Kontaktaufnahme an Wilson vorbei nach Paris oder Berlin versuchen sollte. Aber auch den
     Gedanken verwarf er gleich wieder.
    Es gab genau eine einzige realistische Möglichkeit: Die Hilfe musste aus Helsinki kommen.
    Hinter ihm näherte sich ein Auto. Timo ging näher an den Straßenrand heran. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet dieses
     Fahrzeug seinen Verfolgern gehörte, war äußerst gering.
    Er blieb stehen und winkte dem Auto. Ohne die Geschwindigkeit zu senken, rauschte es vorbei.
    Das vierte Auto hielt schließlich an, ein Lieferwagen. Am Steuer saß ein älterer Antiquitätenhändler, der auf dem Weg nach
     Nyon, östlich von Genf, war.
    Der Mann war gesprächig, merkte aber bald, dass Timo sich in Ruhe die Papiere ansehen wollte, die er Soiles Tasche entnommen
     hatte. Mit der Erlaubnis des Fahrers schaltete Timo die Innenbeleuchtung an, in deren Licht man mit Müh und Not lesen

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