Das Hiroshima-Tor
klappern die Amerikaner bereits die Latimeria-Forscher ab«, fügte Jin Luan hinzu.
Das zog, wie üblich.
»Also gut«, willigte der Vorsitzende ein. »Legen Sie los.«
|216| 31
Im Hauptquartier der TERA in Brüssel sah Tony Wilson, der Chef der Organisation, Timo mit ernstem, bohrendem Blick an.
Timo hatte ihm präzise alles erzählt, was in Cambridge vorgefallen war, und Wilson hatte sich genaue Notizen gemacht.
»Ich habe das Schweigeabkommen mit den Amerikanern gebrochen«, sagte Timo. »Ich gehe also davon aus, dass du kein Wort von
dem gehört hast, was ich gesagt habe.«
»Natürlich nicht.«
Timo blieb die Reserviertheit seines ehemaligen Vorgesetzten nicht verborgen, und noch einmal bedauerte er es, das Archivformular
gefälscht zu haben.
»Was soll ich tun?«, fragte er leise und mit ehrlicher Demut. Er wollte wirklich einen Rat hören, auch wenn das von einem
ehemaligen Chef nicht mehr zu erwarten war.
»Ich kann dich nicht wieder einstellen. Das käme den Amerikanern rasch zu Ohren und würde dich gefährden. Abgesehen davon
will ich dich auch gar nicht wiederhaben.«
Timo gefiel nicht, was er da hörte, aber er schätzte Wilsons Ehrlichkeit. Normalerweise gehörte es nicht zu den britischen
Tugenden, sich unumwunden auszudrücken. Allerdings war Wilson Schotte und daher aus anderem Holz geschnitzt als die Engländer.
»Ich habe großen Respekt vor Selbstständigkeit«, sagte Wilson. »Selbst vor Eigensinn. Aber es darf nicht in Eigenmächtigkeit
und Verantwortungslosigkeit ausarten.«
Timo begriff, dass Wilson den gefälschten Archivzettel meinte, und schwieg. In allen anderen Punkten hatte er seiner Meinung
nach alles andere als verantwortungslos gehandelt.
|217| »Offenbar hast du persönliche Gründe, den Inhalt der Seine-Diskette zu verifizieren.«
Timo wurde wütend. Rautio hatte mit Wilson über Paavo Nortamo gesprochen. Bevor er etwas sagen konnte, fuhr Wilson fort: »Kann
durchaus sein, dass ich deine Motive verstünde, wenn ich sie besser kennen würde. Aber in der jetzigen Situation hast du keine
Wahl. Du kannst nicht zurückkommen, und du kannst nicht außerhalb von TERA mit den Ermittlungen weitermachen. Du bleibst also
zu Hause.«
»Und ihr? Das Ganze kann doch nicht unter den Tisch fallen. Egal, was die Amerikaner sagen.«
»Natürlich wird sich TERA damit befassen.« Wilson schlug seinen Notizblock zu, stand auf und streckte die Hand aus. Die Sache
war erledigt. Kein Wort mehr über eine eventuelle Wiedereinstellung.
Auf dem Flur kam Timo Heidi Klötz entgegen, die sich aufrichtig freute, ihren ehemaligen Kollegen zu treffen.
»Timo, bist du wieder im Haus?«
»Nein. Ich mache bloß einen Ausflug.« Er zwang sich zu einem Lächeln, wusste aber, dass nur ein dämliches Grinsen dabei herauskam.
Er wechselte mit Heidi ein paar nichts sagende Sätze und verließ dann das Gebäude, ohne auf andere ehemalige Mitarbeiter zu
treffen.
Es war bereits spät am Nachmittag, und die orangen Straßenlampen gingen an. Die Luft war mild und feucht. Bei
Compu-Rent
in der Chaussée de Wavre mietete Timo einen Laptop mit Modem. Außerdem kaufte er sich eine
Mobistar-
Prepaid-Karte. Wie es aussah, war es sinnvoll, den eigenen Mobiltelefonanschluss zu meiden.
Anschließend fuhr er mit der Straßenbahn nach Hause. Die leere und noch immer unaufgeräumte Wohnung ließ seine Sehnsucht nach
Aaro und Soile wachsen. Aaro sollte übermorgen aus Porvoo zurückkehren, Soile wollte am Wochenende in Brüssel sein. Müsste
er beiden sagen, sie sollten besser nicht kommen?
Das schien zurzeit die einzige Möglichkeit zu sein. Also rief er |218| sie an. Soile wirkte distanziert und drängte in keiner Weise darauf, am Wochenende zu kommen. Aaro war gerade mit Niko in
einem Computerladen in Helsinki und nahm die Verlängerung seiner Privatferien als positive Nachricht auf.
»Ist bei dir alles in Ordnung?«, fragte er immerhin – im Gegensatz zu Soile.
Timo hatte das Gefühl, dass Aaro in Finnland in Sicherheit war, aber mit der Freizeitgestaltung gewisser finnischer Jugendlicher
musste er nicht unbedingt Bekanntschaft schließen. Nirgendwo in Europa hatte Timo einen so ungehemmten Alkoholkonsum bei Jungen
und Mädchen gesehen wie in Finnland – wo darüber nur mit den Schultern gezuckt wurde.
Timo wäre gern ins Internet gegangen, hatte aber noch keine Lust, die Einstellungen an dem Mietcomputer vorzunehmen. Aaro
hätte das im Handumdrehen erledigt. Timo briet
Weitere Kostenlose Bücher