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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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entwickelt gewesen. Die
     Maya hatten bereits mit Superzahlen gerechnet und kalendarische Daten bis 137   Milliarden Jahre zurück bestimmt, bis weit über den Urknall hinaus. Sie waren in der Lage gewesen, Sonnenfinsternisse mit
     einem Fehlerspielraum von plus/minus zwei Tagen in tausend Jahren vorauszusagen. Die Tabelle der Venus-Umlaufbahn, die sich
     über fast fünfhundert Jahre erstreckte, wies eine Abweichung von zwei Stunden auf.
    Timo fühlte sich gegenüber der Mathematik und der Astronomie |211| hilflos. Soile hätte ihm erklären können, was das alles in der Praxis zu bedeuten hatte.
    Trotzdem ging aus Zeromskis Text eine große, klar umrissene Frage hervor: War es möglich, dass die Kenntnisse der Maya nicht
     von ihnen selbst, sondern von anderen stammten? Wenn sie tatsächlich mathematische Genies gewesen sind, warum hatten sich
     ihre Kenntnisse dann nicht tradiert, sondern waren für Tausende von Jahren in der Versenkung verschwunden?
    Im Bildteil des Buches war Zeromski auf einer Schwarzweißaufnahme zu sehen: ein kleiner, aufrechter Pole mit Schnurrbart,
     der ernst in die Kamera blickte. Ein anderes Bild zeigte die massive Ruinenstadt Teotihuaca im zentralmexikanischen Hochland.
     Auf der nächsten Doppelseite folgten detailgenaue Schemata der Umlaufbahnen von Planeten und Zeichnungen von Tempeln, deren
     Maße astronomischen Mustern folgten.
    Auf einmal war Timo hellwach. Er starrte auf ein Foto, auf dem uralte Scharrbilder auf der Hochebene von Nazca zu sehen waren:
     eine Spinne, ein Affe, ein Schmetterling und ein Fisch. Aber kein x-beliebiger Fisch, sondern dasselbe sonderbare Tier mit
     den überzähligen Flossen und der stumpfen, runden Form wie auf dem Metallstück, das Professor Vaucher-Langston bei seinem
     Tod in der Hand gehalten hatte.
    Interessiert las Timo die Bildunterschrift. Ein gewisser Louis Agassiz fand 1836 einen fossilierten primitiven Fisch, den
     er Quastenflosser nannte. Danach fand man 125 weitere Quastenflosser im Alter von 400 bis 66   Millionen Jahren. Jüngere Fossilienfunde wurden nicht gemacht, darum glaubte man, die Spezies sei vor 66   Millionen Jahren ausgestorben.
    Trotzdem stellten die Astrologen und Priester der alten Maya das Gestirn Südlicher Fisch rund um den Stern Fomalhaut ausgerechnet
     als Quastenflosser dar. Auf den alten Scharrbildern von Nazca war die gleiche Darstellung zu sehen.
    Timo suchte im Register des Buches nach Verweisen auf den Begriff »Quastenflosser«, aber abgesehen von der Bildunterschrift
     wurde das Wort nirgendwo genannt. Er schlug das Buch |212| zu und schaute nachdenklich auf die draußen vorbeihuschenden Waldstücke. Hatte es mit dem Quastenflosser etwas wirklich Bedeutsames
     auf sich, oder war es nur ein Zufall, dass der Professor ausgerechnet ein Bild jener Kreatur umklammert hatte?
    Timo beschloss, beim Umsteigen in London in eine Buchhandlung zu gehen und nach weiteren Büchern von Zeromski zu suchen. Er
     versuchte gemeinsame Nenner und Links zu entdecken, aber das einzige, was er fand, war eine historische Dimension. Genau das
     wunderte ihn am meisten. Hinter wem oder was war der KGB her gewesen? Und was konnte es sein, das die Amerikaner noch immer
     so wild machte?
     
    »Cecilia Vaucher-Langston hat nichts gewusst«, sagte Colin Baumgarten mehr zu sich selbst als zu Novak und Perry. »Das habe
     ich sofort gesehen. Die Frau war   ...«
    »Hör auf«, knurrte Novak. »Niemand stellt deine Kompetenz in Frage.«
    Genau darum ging es, dachte Novak. Baumgarten war um sein Ansehen besorgt, nicht um das Schicksal von Cecilia Vaucher-Langston.
     Novak hatte vom Tod der Frau durch einen örtlichen Polizisten erfahren.
    In dem Hotelzimmer im Zentrum von Cambridge standen Laptops, Kaffeetassen und das Tablett mit Baumgartens Frühstück, das komplett
     englisch gewesen war, Würstchen, Speck und Rührei.
    David Perry nahm einen Schluck aus seiner Teetasse. Er sah und hörte nichts, denn er war vollkommen damit beschäftigt, sich
     über eine geschützte Verbindung mit einem Biologen von DARPA zu verständigen. Auf dem Bildschirm vor sich hatte er die Darstellung
     eines Fisches mit stumpfem Maul.
    »Du wirst dich daran doch auch noch vom Biologieunterricht her erinnern?«, wandte sich Perry an Novak, der hinter ihn getreten
     war, wartete aber keine Antwort ab. »Die englische Wissenschaftlerin Marjorie Courtenay-Latimer fand im Dezember 1938 an der
     Küste Südafrikas einen Fisch, der sich als lebender |213|

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