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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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anders entscheiden können.«
    Rautio war verlegen. »Du wirst verstehen, dass ich irgendeine Form von Ermittlung in die Wege leiten muss, wenn das Material
     an die Medien durchsickert.«
    »Es gibt immer Menschen, die im Misthaufen der Geschichte graben wollen«, sagte die Präsidentin leise und nachdenklich, mit
     härter werdendem Blick. »Menschen, die nicht verstehen, dass man damals nach den Regeln der damaligen Zeit leben musste. Zum
     Glück verstehst du das, Pauli. Schließlich warst du damals selbst   ... dabei.«
    Rautios Wangen röteten sich.
    »Zum Glück verstehst du«, wiederholte die Präsidentin äußerst leise, »dass wir beide in einem Boot sitzen, das nicht ins Schwanken
     geraten darf.«
     
    |226| Carla saß in der Sienkiewicza-Straße von Krakaus Altstadt in dem Wagen, den sie am Flughafen gemietet hatte. Rund um die mittelalterlichen
     Häuser in schlechtem Zustand war der Abend angebrochen. Die Straße gehörte zu den stillsten in der Gegend, sie lag abseits
     der Touristenströme. In Carlas Augen erinnerte das Viertel an die Hutongs in Peking, diese verwinkelten, tunnelartigen Gassen.
    Carlas Kopfhörer sahen aus, als gehörten sie zu einem Walkman, aber sie hörte keine Musik, sie hörte monotone Geräusche aus
     der Wohnung von Bronisław Zeromski.
    Sie saß da, als läse sie Zeitung, doch was sie auf dem Schoß hielt, war ein DIN-A 4-Blatt , auf dem sie den Grundriss von Zeromskis Wohnung skizziert hatte. Darauf hatte sie die Stellen markiert, an denen sie die
     drei Mikrofonsender angebracht hatte. Aufgrund der Geräusche und der Skizze verfolgte sie nun, was der Pole zu Hause tat.
     Er war gerade erst gekommen und hatte sein Gepäck abgestellt.
    Jemand klopfte ans Seitenfenster des Autos. Carla fuhr zusammen, blickte zur Seite und sah Jørgensens blonden Lockenkopf.
     Sie machte ihm die Beifahrertür auf.
    »Alles okay?«, fragte Jørgensen, nachdem er sich gesetzt hatte.
    »Zeromski ist vor einer Viertelstunde nach Hause gekommen. Gehen wir rein?«
    Im selben Moment hob Carla die Hand. »Warte. Da ruft gerade jemand bei ihm an   ...«
    Mit extrem schnellen Bewegungen nahm Jørgensen Carla die Kopfhörer ab.
    »Gut«
, sagte Zeromskis rauschende, leicht hallende Stimme auf Englisch.
»Wir treffen uns gleich dort. Sie erkennen mich an dem abgewetzten braunen Sakko und dem hungrigen Gesichtsausdruck. Ich wollte
     gerade essen gehen.«
    Jørgensen nahm die Kopfhörer ab.
    »Was machen wir?«, fragte Carla. »Handeln wir sofort?«
    »Nein. Wenn er nicht zu der Verabredung geht, wartet bald jemand auf ihn. Wir folgen ihm.«
     
    |227| Soile saß in ihrer Wohnung im Genfer Stadtteil Chambésy. Sie blickte auf ihr Spiegelbild im schwarzen Fenster, und was sie
     da sah, gefiel ihr nicht. Sie hatte sich eine neue Frisur machen lassen und war damit ganz und gar nicht zufrieden. Sie hatte
     sich zu lange vernachlässigt – trotzdem interessierte sich Patrick für sie.
    Gerade hatte sie auf eine E-Mail von ihm geantwortet, die er ihr von seiner Dienstreise aus München geschickt hatte. Jetzt erschien auf dem Bildschirm wieder
     der
SETI@home-
Bildschirmschoner, der für die Suche nach intelligentem Leben im All bestimmt war. Sie hatte ihn auch auf Aaros Computer in
     Brüssel geladen. Aaro war intelligent, und es war höchste Zeit, dass er sich auch für etwas anderes als für Computer interessierte.
    Der Sauerstoffmangel im Zimmer ließ Soile gähnen, aber sie war nicht müde. Sie wusste, dass sie vor großen Entscheidungen
     stand. Seit Jahren widmete sie sich in der Woche ihrer Arbeit und an den Wochenenden Aaro und Timo. In wenigen Jahren wurde
     sie vierzig – wo blieb ihr eigenes Leben?
    Sie klickte SETI an. Die beste Hilfe bei Problemen und schwierigen Entscheidungen bekam man, wenn man sie mit einem Blick
     zum Himmel in die richtige Relation setzte. Für Soile war es unfassbar, wie wenige Menschen sich über ihren Platz im Universum
     Gedanken machten. Dafür war keine kosmologische Ausbildung nötig, man brauchte nur Neugier und Verstand.
    Weil das SET I-Projekt gewaltige Rechenkapazitäten verlangte, war man auf die geniale Idee gekommen, die ungenutzten Kapazitäten von ganz normalen
     Heim-PCs einzuspannen. Ausgangspunkt der Kosmologie und ihrer Erforschung des Universums war die theoretische Teilchenphysik,
     und Soile hatte sich schon immer für das Weltall interessiert.
    Im Moment analysierte ihr SET I-Programm gerade ein Signal, das vom Radioteleskop Arecibo empfangen worden

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