Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
Betrübt sinkt er in sich zusammen. »Es ist zu spät. Sie sind verheiratet.«
»Sind sie nicht!«, erwidere ich, bevor ich es verhindern kann.
»Was?« Richard und Lorcan starren mich beide an. Überall um uns herum sehe ich interessierte Gesichter, die sich vorbeugen, um zuzuhören.
»Ich meine nur, sie haben die Ehe noch nicht – ihr wisst schon – vollzogen«, erkläre ich so leise wie möglich. »Praktisch heißt das, sie könnten die Ehe immer noch annullieren lassen. Die Eheschließung wäre null und nichtig.«
»Im Ernst?« Ich sehe Hoffnung in Richards Gesicht aufleuchten.
»Warum haben sie die Ehe noch nicht vollzogen?«, fragt Lorcan verblüfft. »Und woher weißt du das?«
»Sie ist meine Schwester. Wir erzählen uns alles. Und was das ›Warum‹ angeht …« Ich räuspere mich ausgiebig. »Sie hatten einfach Pech. Das Hotel hat mit den Betten Mist gebaut. Ben hat sich betrunken. Solche Sachen.«
»Das will ich alles gar nicht hören«, sagt Lorcan und fängt an, seine Unterlagen im Aktenkoffer zu verstauen.
Richard sagt nichts. Stirnrunzelnd scheint er das alles auf sich wirken zu lassen. Schließlich sinkt er auf den Sitz neben mir und verknotet seine Boxershorts wütend zu einer Kugel. Ich sehe ihn an, kann immer noch nicht fassen, dass er hier ist.
»Richard«, sage ich schließlich. »Du kennst doch diese Redensart, wenn man sagt, jemand tut ›zu wenig, zu spät‹, oder? Du tust eher › zu viel , zu spät‹. Um die halbe Welt geflogen. Zum Fughafen gehetzt. Romantische Reden gehalten. Warum hast du das alles nicht früher getan?«
Richard beantwortet die Frage nicht, sondern starrt mich nur trübe an. »Meinst du, ich komme zu spät?«
Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten möchte.
»Es ist nur so eine Redensart«, sage ich nach kurzer Überlegung. »Komm schon.« Ich klopfe ihm beruhigend auf die Schulter. »Wir können an Bord gehen.«
Nach etwa einer halben Stunde Flugzeit kommt Richard nach vorn, wo Noah und ich sitzen. Ich nehme Noah auf den Schoß, und Richard lässt sich neben mir nieder.
»Was würdest du sagen, wie groß dieser Ben ist?«, fragt er ohne Einleitung.
»Weiß nicht. Ich bin ihm nie begegnet.«
»Aber du hast Fotos gesehen. Würdest du sagen … eins siebzig? Eins fünfundsiebzig?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich würde sagen eins fünfundsiebzig. Definitiv kleiner als ich«, fügt Richard mit grimmiger Genugtuung hinzu.
»Na, das ist ja wohl nicht so schwierig«, erkläre ich. Richard ist mindestens eins fünfundachtzig.
»Hätte nie gedacht, dass Lottie auf Sitzriesen steht.«
Darauf fällt mir keine Antwort ein, also rolle ich mit den Augen und lese weiter in meiner Zeitschrift.
»Ich habe ihn mir im Netz angesehen.« Richard zerknüllt eine Kotztüte. »Er ist Multimillionär. Besitzt eine Papierfabrik.«
»Ich weiß.«
»Ich habe versucht rauszufinden, ob er einen Privatjet hat. Stand da nicht. Könnte ich mir aber vorstellen.«
»Richard, hör auf, dich zu quälen.« Ich wende mich ihm zu. »Hier geht es nicht um Privatjets. Oder Größe.«
Schweigend sieht mich Richard sekundenlang an. Und dann – als hätte ich gar nichts gesagt – sagt er: »Hast du sein Haus gesehen? Da haben sie Highton Hall gedreht. Er ist Multimillionär, und er besitzt ein Herrenhaus.« Er zieht ein finsteres Gesicht. »Arschloch.«
»Richard …«
»Aber er ist ganz schön schmächtig, findest du nicht?« Er reißt die Kotztüte in Streifen. »Hätte nie gedacht, dass Lottie auf jemanden steht, der so schmächtig ist.«
»Richard, hör auf damit!«, rufe ich verzweifelt. Wenn er die ganze Reise so weitermacht, werde ich noch verrückt.
»Ist das hier unser kleiner Lieblingspassagier?« Eine zuckersüße Stimme unterbricht uns, und als wir aufblicken, sehen wir eine Stewardess mit einem französischen Zopf, die lächelnd auf uns herabsieht. Sie hält einen Teddy in der Hand, eine Brieftasche mit dem Logo der Fluglinie, ein paar Lollis und eine Riesenschachtel Ferrero Rocher. »Cheryl hat uns alles über dich erzählt«, sagt sie fröhlich. »Ich habe ein paar kleine Präsente für dich.«
»Cool! Danke!« Noah schnappt sich die Geschenke, bevor ich ihn daran hindern kann, und stöhnt: »Mami, guck mal! Eine große Schachtel Ferrero Rocher! Die gibt es doch !«
»Danke«, sage ich beschämt. »Das wäre doch nicht nötig gewesen.«
»Das ist das Mindeste, was wir tun können!«, versichert mir die Stewardess. »Und ist das sein berühmter
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