Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
Onkel?« Sie klimpert Richard mit ihren Wimpern an, während er sie nur fragend mustert.
»Mein Onkel spricht drei Sprachen«, sagt Noah stolz. »Onkel Richard, rede mal Japanisch!«
»Ein Chirurg und Sprachgenie?« Die Stewardess macht große Augen, und ich kralle meine Fingernägel in Richards Hand, bevor er intervenieren kann. Ich möchte nicht, dass Noah sich in aller Öffentlichkeit schämen muss.
»Stimmt genau!«, sage ich eilig. »Er hat viele Talente. Danke schön.« Ich lächle die Stewardess starr an, bis sie geht, nachdem sie Noah ein letztes Mal den Kopf getätschelt hat.
»Fliss, was ist hier eigentlich los?«, knurrt Richard mit gedämpfter Stimme, sobald sie weg ist.
»Darf ich eine Kreditkarte haben und sie in meine Brieftasche stecken?«, fragt Noah, während er sie untersucht. »Kriege ich eine AmEx? Kriege ich Punkte?«
Oh Gott. Er kennt sich mit sieben Jahren schon mit AmEx-Punkten aus? Wie peinlich. Fast so schlimm wie damals, als wir in Rom in ein Hotelzimmer eingecheckt haben, und bevor ich Münzen für das Trinkgeld gefunden hatte, erkundigte sich Noah schon, ob man ihm nicht noch ein anderes Zimmer zeigen könnte.
Ich nehme meinen iPod und gebe ihn Noah, der vor Freude juchzt und sich die Kopfhörer in die Ohren steckt. Dann beuge ich mich zu Richard vor und spreche ganz leise.
»Noah hat dem Bodenpersonal eine frei erfundene Geschichte erzählt.« Ich beiße mir auf die Lippe und fühle mich plötzlich erleichtert, jemandem meine Sorgen anvertrauen zu können. »Richard, er hat sich in einen wahren Münchhausen verwandelt. In der Schule macht er es genauso. Einer Lehrerin hat er erzählt, man hätte ihm ein neues Herz eingepflanzt, einer anderen, er hätte ein kleines Schwesterchen von einer Leihmutter bekommen.«
»Wie bitte?« Richard fällt die Kinnlade herunter.
»Ich weiß.«
»Woher hat er denn diese Ideen überhaupt? Ein Schwesterchen von einer Leihmutter?«
»Von einer DVD , die im Warteraum beim Förderunterricht läuft«, sage ich mit schiefem Lächeln.
»Okay.« Das muss Richard erst mal verdauen. »Und was hat er diesen Leuten hier erzählt?« Er deutet auf die Stewardess.
»Keine Ahnung. Abgesehen davon, dass du eine Hauptrolle als Chirurg spielst.« Ich sehe ihm in die Augen, und plötzlich prusten wir beide los.
»Das ist nicht komisch.« Richard schüttelt den Kopf und beißt sich auf die Lippe.
»Es ist furchtbar.«
»Armer kleiner Kerl.« Richard verwuschelt Noahs Haare, und der blickt kurz aus seiner iPod-Trance auf, mit seligem Lächeln. »Meinst du, es hat mit der Scheidung zu tun?«
Mein Restlachen verklingt. »Vermutlich«, sage ich leichthin. »Oder – du weißt schon – an der karrieregeilen Rabenmutter.«
Richard windet sich. »Entschuldige.« Er hält inne. »Wie läuft es denn eigentlich? Hast du die Trennungsvereinbarung schon unterschrieben?«
Ich mache den Mund auf, um ehrlich zu antworten – dann bremse ich mich. Ich habe Richard schon oft genug mit Daniel gelangweilt. Ich merke, dass er sich für meine Hasstirade bereit macht. Wieso habe ich noch nie gemerkt, dass die Leute sich dafür bereit machen müssen?
»Ach, kein Problem.« Ich schenke ihm mein neues, zuckersüßes Lächeln. »Alles gut! Reden wir von was anderem.«
»Okay.« Richard wirkt betroffen. »Wunderbar! Und … irgendwelche neuen Männer in Sicht?« Plötzlich scheint sich die Lautstärke seiner Stimme verdoppelt zu haben, und ich zucke zusammen. Bevor ich es verhindern kann, sehe ich zu Lorcan hinüber, der auf der anderen Seite vom Gang am Fenster sitzt, in sein Notebook vertieft, und glücklicherweise nichts zu hören scheint.
»Nein«, sage ich. »Nichts. Kein einziger.«
Entschlossen nehme ich mir vor, Lorcan nicht anzusehen, nicht mal an ihn zu denken. Aber das ist genauso, als würde man sich vornehmen, nicht an einen rosa Elefanten zu denken. Bevor ich es verhindern kann, sehe ich schon wieder zu ihm hinüber. Diesmal folgt Richard meinem Blick.
»Was?« Erstaunt starrt er mich an. »Er?«
»Schscht.«
»Er?«
»Nein! Ich meine … ja.« Ich werde nervös. »Einmal.«
»Er?« Richard klingt zutiefst gekränkt. »Aber er steht auf der falschen Seite!«
»Es gibt keine Seiten .«
Richard mustert Lorcan argwöhnisch. Nach einer Weile blickt Lorcan auf. Er wirkt verwundert, als er merkt, dass wir ihn beide anstarren. Mir wird ganz heiß. Abrupt wende ich mich ab.
»Lass das!«, zische ich. »Guck ihn nicht so an!«
»Du hast ihn doch auch
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