Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
Einzige, die entsetzt aufstöhnt. Um uns herum werden aus höflichem Protest feindselige Bemerkungen. Ich spüre, dass Richard hier nicht gerade der beliebteste Passagier ist. Ich fürchte, dass die Leute ihn jeden Moment ausbuhen.
»Onkel Richard, kommst du mit uns in die Ferien?« Noah ist außer sich vor Begeisterung. »Können wir ringen? Darf ich im Flugzeug neben dir sitzen?« Er wirft sich Richard zu Füßen.
»Sieht nicht so aus, Kleiner.« Richard schenkt ihm ein schiefes Lächeln. »Es sei denn, du könntest diese Dame überreden.«
»Das ist dein Onkel?« Am Nachbartresen kommt Leben in Noahs Freundin Cheryl, die den ganzen Vorgang unbeteiligt beobachtet hat. »Der Onkel, von dem du mir erzählt hast?«
»Das ist Onkel Richard«, bestätigt Noah selig.
Ich hätte nie zulassen sollen, dass er Richard »Onkel« nennt, denke ich. Es fing irgendwann an Weihnachten an, und wir fanden es ganz süß. Von einer Trennung konnte niemand was ahnen. Wir dachten, Richard gehört zur Familie. Wir hätten nie gedacht …
Plötzlich merke ich, dass Cheryl fast hyperventiliert.
»Margot!« Endlich bringt sie keuchend ein paar Worte hervor. »Du musst diesen Mann an Bord lassen! Er hat seinem Neffen das Leben gerettet! Er ist ein wunderbarer Mensch!«
»Wie bitte?« Margot verzieht das Gesicht.
»Hä?« Richard starrt Cheryl an.
»Nur keine Bescheidenheit! Ihr Neffe hat mir die ganze Geschichte erzählt!«, sagt Cheryl bebend. »Margot, du hast ja keine Ahnung. Diese ganze Familie. Sie hat so viel durchgemacht.« Sie tritt hinter ihrem Tresen hervor. »Sir, geben Sie mir Ihre Bordkarte.«
Ich sehe, dass in Richards Kopf alles durcheinanderfliegt. Misstrauisch sieht er erst Noah an, dann mich. Ich mache ein gequältes Gesicht und versuche, ihm die Botschaft zu vermitteln: Spiel einfach mit.
»Und Sie auch.« Cheryl wendet sich mir zu. »Die Qualen Ihres kleinen Jungen müssen Sie schrecklich mitgenommen haben.«
»Wir nehmen jeden Tag, wie er kommt«, murmle ich vage.
Das scheint sie zufriedenzustellen, und sie entfernt sich. Richard hält noch immer seine Unterhose in der Hand und sieht aus, als wüsste er gar nicht, was er dazu sagen sollte. Ich werde nicht versuchen, es ihm zu erklären.
»Also, äh, möchtest du dich setzen?«, sage ich. »Ich könnte uns einen Kaffee oder irgendwas holen.«
»Wieso fliegst du zu Lottie?«, fragt er, ohne sich zu rühren. »Hat sie ein Problem?«
Ich weiß nicht recht, was ich darauf antworten soll. Einerseits möchte ich ihm keine falschen Hoffnungen machen. Andererseits könnte ich vielleicht andeuten, dass das Paradies nicht ohne Makel ist.
»Sie wollen doch ihren Treueschwur erneuern, oder nicht?«, sagt Lorcan über seine Zeitung hinweg.
»Wer ist das?« Richard reagiert sofort misstrauisch. »Wer sind Sie?«
»Okay«, sage ich etwas verlegen. »Richard, das ist Lorcan. Bens Trauzeuge. Sein bester Freund und was weiß ich noch alles. Er fliegt auch hin.«
Augenblicklich erstarrt Richard und steht wieder da wie ein Stier.
»Verstehe«, sagt er nickend. »Verstehe.«
Ich glaube nicht, dass er auch nur eine vage Ahnung hat, aber er steht so unter Strom, dass ich es nicht wage, ihn zu unterbrechen. Instinktiv hat er sich vor Lorcan aufgebaut und ballt die Fäuste.
»Und Sie sind …?«, fragt Lorcan höflich.
»Ich bin der Idiot, der sie gehen ließ!«, sagt Richard mit plötzlich aufschäumender Leidenschaft. »Ich war blind für ihre Vorstellung von unserer gemeinsamen Zukunft. Ich fand sie – ich weiß nicht – blauäugig. Aber inzwischen bin ich genauso blauäugig. Jetzt sehe ich, was sie sich gewünscht hat. Und ich wünsche es mir auch.«
Sämtliche Frauen in der Nähe lauschen ihm gespannt. Wo hat er gelernt, so zu reden? Lottie wäre begeistert von dem, was er da sagt. Schon eine Weile fummle ich an meinem iPhone herum und versuche, ihn heimlich zu filmen, aber ich bin zu langsam.
»Was machst du da?«
»Nichts!« Hastig lasse ich mein iPhone sinken.
»Oh Gott. Vielleicht ist es keine gute Idee!« Plötzlich scheint Richard zu sich zu kommen und sich selbst zu sehen, wie er da mitten in der Flughafen-Lounge steht, mit seiner Unterhose in der Hand, vor den versammelten Passagieren. »Vielleicht sollte ich einfach verschwinden.«
»Nein!«, sage ich eilig. »Bloß nicht!«
Könnte Lottie ihn doch nur so sehen! Wüsste sie doch nur um seine wahren Gefühle! Sie würde zur Vernunft kommen, ich weiß es genau.
»Wem will ich was vormachen?«
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