Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
vermeiden. Es ist eine solche Erleichterung, mit jemandem zu reden, bei dem es sich weder um meinen Chef oder eine Mitarbeiterin noch um mein Kind, meinen Exmann oder meine durchgeknallte kleine Schwester handelt. Er verlangt nichts von mir. Das ist der große Unterschied. Er sitzt nur da, gleichmütig, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen.
»Im Netz habe ich gelesen, dass du Papermaker entwickelt hast«, sage ich. »Das warst du?«
»Ich hatte die Idee.« Er zuckt mit den Schultern. »Andere, die talentierter sind als ich, haben die Sachen dann entworfen.«
»Ich mag Papermaker«, sage ich. »Hübsche Karten. Teuer.«
»Aber du kaufst sie trotzdem.« Er schenkt mir ein kleines Lächeln.
»Vorläufig«, erwidere ich. »Bis ich eine andere Marke entdecke.«
»Touché.« Er verzieht das Gesicht, und ich sehe ihn schräg von der Seite an. Vielleicht war das gemein.
»Habt ihr wirklich Probleme?« Schon während ich es sage, weiß ich, dass die Frage dämlich ist. Momentan haben alle Probleme. »Ich meine, echte Probleme?«
»Wir stehen an einem Scheideweg.« Er schnaubt. »Es ist eine schwierige Zeit. Bens Dad starb völlig unerwartet, und seitdem geht nichts voran. Wir müssen ein paar mutige Entscheidungen treffen.« Er zögert. »Die richtigen mutigen Entscheidungen.«
»Ah.« Darüber denke ich nach. »Du meinst, Ben muss die richtigen mutigen Entscheidungen treffen?«
»Du begreifst schnell.«
»Aber wird er das auch tun? Du kannst es mir ruhig sagen. Ich kann schweigen.« Ich mache eine Pause und überlege, ob ich taktvoll vorgehen sollte oder nicht. »Steht ihr kurz vor der Pleite?«
»Nein!« Angesichts seiner heftigen Reaktion muss ich wohl einen Nerv getroffen haben. »Wir stehen nicht kurz vor der Pleite. Wir arbeiten profitabel, auch wenn wir noch profitabler arbeiten könnten. Wir haben die Markennamen, die Mittel, eine loyale Belegschaft …« Er klingt, als wollte er ein imaginäres Publikum überzeugen. »Aber es ist schwierig. Letztes Jahr haben wir ein Übernahmeangebot für die Firma abgelehnt.«
»Wäre das nicht eine Lösung?«
»Bens Vater würde sich im Grab umdrehen«, sagt Lorcan kurz. »Das Angebot kam von Juri Zhernakoff.«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Wow.« Juri Zhernakoff ist einer von diesen Typen, die jeden zweiten Tag in der Zeitung stehen, mit dem Zusatz »Milliardär« oder »Oligarch«.
»Er hat das Haus im Fernsehen gesehen, und seine Frau war hin und weg«, sagt Lorcan trocken. »Sie wollten nur ein paar Wochen im Jahr dort wohnen.«
»Na, das wäre doch vielleicht ganz gut, oder?«, sage ich. »Verkaufen, solange Bargeld lacht?«
Lorcan schweigt. Er starrt den Bildschirmschoner seines Notebooks an, der – wie ich merke – ein Papermaker-Design zeigt, das ich mir selbst schon gegönnt habe.
»Vielleicht wird Ben verkaufen«, sagt er schließlich. »Aber ganz bestimmt nicht an Zhernakoff.«
»Was ist mit Zhernakoff?«, frage ich lachend. »Hast du etwa Vorurteile?«
»Nein, ich habe keine Vorurteile!«, erwidert Lorcan mit Nachdruck. »Aber die Firma liegt mir am Herzen. Ein Typ wie Zhernakoff hat kein Interesse an irgendeiner unbedeutenden Papierfirma, die ihm den Ausblick verstellt. Er würde den halben Betrieb schließen, den Rest auslagern. Alles wäre dahin. Wenn Ben sich etwas mehr mit geschäftlichen Dingen beschäftigt hätte, wäre ihm klar …« Er stockt und seufzt. »Außerdem war das Angebot nicht gut genug.«
»Was sagt Ben dazu?«
»Ben …« Lorcan nimmt einen Schluck von seinem Mineralwasser. »Leider ist Ben ziemlich naiv. Ihm fehlt der Geschäftssinn seines Vaters, auch wenn er glaubt, er hätte ihn. Was gefährlich ist.«
Ich werfe einen Blick auf seinen Aktenkoffer. »Und du willst also hinfliegen und Ben überreden, die Restrukturierungspläne zu unterzeichnen, bevor er es sich anders überlegen kann.«
Lorcan schweigt eine Weile und trommelt sanft die Fingerspitzen aneinander.
»Ich will, dass er Verantwortung für sein Erbe übernimmt«, sagt er schließlich. »Ihm ist nicht bewusst, wie viel Glück er hat.«
Ich nippe ein paarmal an meinem Sekt. Manches davon ergibt für mich einen Sinn, anderes überhaupt nicht.
»Warum bedeutet es dir so viel?«, frage ich schließlich. »Es ist doch nicht deine Firma.« Lorcan blinzelt, und ich merke, dass ich schon wieder einen Nerv getroffen habe, obwohl er es sorgsam verbergen möchte.
»Bens Dad war ein großartiger Mann«, sagt er schließlich. »Ich möchte nur, dass es
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