Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
Überheblichkeit gewichen. Er scherzt nicht mehr: Er gibt Erklärungen ab.
Ich kann es nicht fassen, dass wir Sex miteinander hatten. Ich kann es nicht fassen, dass wir Noah gemeinsam zustande gebracht haben. Vielleicht befinde ich mich in einer Matrix, und wenn ich aufwache, sehe ich etwas, das erheblich mehr Sinn ergibt, zum Beispiel, dass ich die ganze Zeit über in einer Art Brutkasten liege und an Elektroden angeschlossen bin.
»Daniel?« Mein Lächeln bleibt starr.
»Wir hatten abgemacht, dass du Noah heute Abend nimmst.« Wieder zuckt er mit den Schultern.
»Bitte?« Ich starre ihn an, versteinert. »Nein, haben wir nicht. Heute ist dein Abend.«
»Ich muss heute noch nach Frankfurt. Ich habe dir eine Mail geschickt.«
»Nein, hast du nicht.«
»Habe ich wohl.«
»Hast du nicht! Du hast mir keine Mail geschickt.«
»Wir hatten abgemacht, dass ich dir Noah hier vorbeibringe.«
Er bleibt völlig ruhig, wie nur Daniel es kann. Ich dagegen stehe kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
»Daniel.« Meine Stimme zittert, weil ich mich so sehr anstrengen muss, ihm nicht den Schädel einzuschlagen. »Warum sollte ich mit dir abmachen, dass ich Noah heute Abend nehme, wenn ich eine Preisverleihung moderieren muss? Warum hätte ich das tun sollen?«
Wieder zuckt Daniel mit den Schultern. »Ich bin auf dem Weg zum Flughafen. Er hat schon gegessen. Hier ist die Tasche mit seinen Sachen.« Er lässt Noahs Rucksack auf den Boden fallen. »Alles klar, Noah? Heute Abend bleibst du bei Mama. Ist das nicht toll?«
Es gibt keinen Ausweg.
»Großartig!« Ich lächle Noah an, der uns beide verunsichert beobachtet. Es bricht mir das Herz, wenn ich die Sorge in seinen großen Augen sehe. Kein Kind in seinem Alter sollte sich irgendwelche Sorgen machen müssen. »Was habe ich für ein Glück!« Beruhigend verwuschle ich seine Haare. »Entschuldigt mich, ich brauch noch einen kleinen Moment …«
Ich laufe den Flur entlang zur Damentoilette. Sie ist leer, was gut ist, denn ich kann mich nicht länger beherrschen.
» ER HAT MIR KEINE BESCHISSENE MAIL GESCHICKT !« Meine Stimme hallt durch die Kabinen. Ich keuche, als ich meinen Blick im Spiegel auffange. Ich fühle mich etwa zehn Prozent besser. Genug, um den Abend zu überstehen.
Leise kehre ich in mein Büro zurück und sehe, dass Daniel gerade seinen Mantel anzieht.
»Okay, gute Reise.« Ich setze mich hin, schraube meinen Füller auf und schreibe Herzlichen Glückwunsch! auf die Karte für den Blumenstrauß, den das Hotel des Jahres (dieses neue Spa Resort in Marrakesch) erhalten soll. Mit besten Wünschen von Felicity Graveney und dem ganzen Team .
Daniel ist immer noch in meinem Büro. Ich merke, dass er nicht gehen will. Er hat mir was zu sagen.
»Du bist noch da?« Ich blicke auf.
»Ganz kurz nur.« Schon wieder mustert er mich mit dieser selbstgerechten Miene. »Ich hätte noch was zu unserer Trennungsvereinbarung zu sagen.«
Einen Moment bin ich so perplex, dass ich gar nicht reagieren kann.
»Wie bitte?«, presse ich schließlich hervor.
Er kann nicht noch mehr Forderungen stellen. Wir sind damit durch, Forderungen zu stellen. Wir stehen kurz vor der Unterschrift. Es ist zu Ende. Nach einem Prozess und zwei Berufungen und Millionen Anwaltsschreiben. Es ist alles geklärt.
»Ich bin es noch mal mit Trudy durchgegangen.« Er spreizt die Hände. »Sie hat mich auf ein paar interessante Punkte aufmerksam gemacht.«
Das kann doch nicht wahr sein! Ich könnte ihm eine reinhauen. Dass er unsere Scheidung mit Trudy bespricht! Es ist unsere Scheidung. Wenn Trudy sich scheiden lassen möchte, soll sie ihn doch heiraten. Mal sehen, wie sie das findet.
»Nur ein paar Kleinigkeiten.« Er wirft einen Stapel Unterlagen auf den Schreibtisch. »Solltest du lesen.«
Solltest du lesen. Als würde er mir einen guten Krimi empfehlen.
»Daniel.« Ich fühle mich wie ein Kessel kurz vorm Platzen. »Du kannst doch jetzt nicht mehr mit irgendwas ankommen. Die Scheidung ist durch . Wir haben alles schon hundertmal besprochen.«
»Es ist doch wohl wichtiger, dass wir es auch richtig machen, oder?«
Er klingt vorwurfsvoll, als wäre ich bereit, mich mit einer notdürftigen, schlecht vorbereiteten Scheidung zufriedenzugeben. Ohne handwerklichen Schliff. Mit einer Klebepistole zusammengeschustert, nicht von Hand genäht.
»Ich bin glücklich mit dem, worauf wir uns geeinigt haben«, sage ich angespannt, wobei »glücklich« kaum das richtige Wort sein dürfte. »Glück« wäre
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