Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
Gleichzeitig aber auch nicht.
»Wir sehen uns später«, sagt er abrupt und marschiert davon, bevor ich etwas dazu sagen kann. Ich weiß nicht, ob er je wieder mit mir reden wird. Trotzdem bin ich froh, dass es raus ist.
Liebevoll blicke ich auf Noah herab, der geduldig abgewartet hat, bis wir fertig waren.
»Darf ich jetzt schwimmen gehen?«, fragt er. »Ja?«
Ich denke an seine Badehose, ganz unten in seinem Koffer, der in der Lobby steht. Ich denke daran, was für ein Aufwand es wäre, sie da rauszuholen. Ich denke daran, dass die Sonne sowieso nur noch ein, zwei Stunden scheinen wird.
»In Unterhosen?« Fragend sehe ich ihn an. »Wie wär’s?«
»Unterhose!«, quiekt er fröhlich. »Unterhose! Yay!«
»Fliss!« Ich blicke auf und sehe, dass Nico über den Strand gelaufen kommt, sein weißes Hemd frisch gestärkt wie immer. Seine Schuhe glänzen im Sand. »Wo ist deine Schwester? Ich muss mit ihr das Prozedere für die Gala heute Abend besprechen. Sie und ihr Mann sind das Glückliche Paar der Woche.«
»Na, dann viel Glück. Sie ist da drüben.« Ich deute auf die Jacht.
»Kannst du sie erreichen?« Nico wirkt betrübt. »Kannst du sie anrufen? Wir hätten die Zeremonie proben sollen, aber irgendwie wurde alles über den Haufen geworfen …«
»Schwimmen?«, bettelt Noah, der sich schon ausgezogen und seine Sachen in den Sand geworfen hat. »Schwimmen, Mami?«
Als ich in sein eifriges, kleines Gesicht blicke, spüre ich einen Stich in meinem Herzen. Und plötzlich weiß ich, was wichtig ist im Leben. Nicht die Galazeremonien. Nicht die Hochzeitsnächte. Nicht, meine Schwester zu retten. Und ganz bestimmt nicht Daniel. Es steht direkt vor mir.
Meine Unterwäsche ist schlicht und schwarz. Könnte glatt als Bikini durchgehen.
»Entschuldige«, sage ich munter zu Nico und entkleide mich bis auf Slip und BH . »Ich kann nicht. Ich habe meinem Sohn versprochen, dass ich mit ihm schwimmen gehe.«
Nach einer halben Stunde Planschen in den türkisfarbenen Wellen der Ägäis ist die Welt wieder in Ordnung. Die spätnachmittägliche Sonne brennt auf meinen Schultern, mein Mund ist ganz salzig vom Wasser, und mir tun vor Lachen die Rippen weh.
»Ich bin ein Hai!« Noah stürzt im flachen Wasser auf mich zu. »Mami, ich bin ein Spritzehai!« Er spritzt mich ordentlich nass, und ich zahle es ihm in gleicher Münze zurück. Dann sinken wir beide auf den weichen, sandigen Grund.
Er wird schon zurechtkommen, denke ich, als ich seinen zarten Körper in den Armen halte. Wir werden beide zurechtkommen. Soll Daniel doch nach Los Angeles ziehen. Im Grunde passt die Stadt zu ihm. Die mögen da künstliche Intelligenz.
Ich strahle Noah an, der sich neben mir auf den Wellen treiben lässt.
»Macht Spaß, oder?«
»Wo ist Tante Lottie?«, fragt er stattdessen. »Du hast gesagt, wir treffen Tante Lottie.«
»Die hat noch zu tun«, sage ich tröstend. »Bestimmt treffen wir sie bald.«
Jedes Mal, wenn ich zu der Jacht hinübersehe, die dort in der Bucht aufragt, frage ich mich, was da wohl an Bord vor sich gehen mag. Es ist doch seltsam, dass Lotties Angelegenheiten mir so nah und wichtig und dringend vorkamen, als ich noch in London war. Jetzt und hier scheinen sie mir eher weit entfernt.
Es ist nicht mein Leben. Nicht mein Leben.
Plötzlich höre ich etwas, das wie mein Name klingt. Instinktiv drehe ich mich um und sehe Lorcan am Flutsaum stehen, deplatziert in seinem Geschäftsanzug.
»Ich muss dir was sagen!«, ruft er undeutlich.
»Kann dich nicht hören!«, schreie ich zurück, ohne mich zu rühren.
Ich lasse mich nicht mehr hetzen. Nicht mal, wenn er mir erzählen wollte, dass Lottie Zwillinge von Ben erwartet, nachdem der sich als Neonazi entpuppt hat. Das kann ich alles auch später erfahren.
»Fliss!«, ruft er noch mal.
Ich mache eine Geste, die heißen soll: »Ich beschäftige mich gerade mit Noah. Lass uns später sprechen«, aber ich bin nicht sicher, ob er mich verstanden hat.
»Fliss!«
»Ich bin am Schwimmen !«
Seine Miene scheint sich zu verfinstern. Wütend stellt er seinen Aktenkoffer in den Sand und marschiert ins flache Wasser, mit Schuhen und Anzug. Er schreitet zügig durch die Wellen, bis zu Noah und mir, dann bleibt er stehen. Das Wasser reicht ihm bis zu den Oberschenkeln. Ich bin so baff, dass ich gar nicht weiß, was ich dazu sagen soll. Mit offenem Mund stand Noah da, als Lorcan näher kam, jetzt schüttelt er sich vor Lachen.
»Du hast wohl noch nie was von Badehosen gehört,
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