Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
»Ich will wissen, was passiert ist.«
Ich kann nicht umhin, ein Gähnen zu unterdrücken. Es war vorauszusehen. Er will wissen, was passiert ist. Noch ein Banker in der Midlife-Crisis, der zum Schauplatz seiner Jugend zurückkehrt. Zum Schauplatz des Verbrechens. Lass lieber die Finger davon, möchte ich ihm antworten. Dreh um. Geh zurück in dein problembeladenes Erwachsenenleben, denn hier wirst du deine Probleme nicht lösen.
Aber er würde mir nicht glauben. Tun sie nie.
»Mein Junge«, sage ich sanft. »Du bist erwachsen geworden. Das ist passiert.«
»Nein«, sagt er ungeduldig und wischt seine verschwitzte Stirn. »Sie verstehen nicht. Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund hier!« Er tritt ein paar Schritte vor, von eindrucksvoller Größe und Gestalt, mit entschlossener Miene. »Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund hier«, wiederholt er. »Ich wollte mich da raushalten … aber ich kann nicht anders. Ich muss es tun. Ich muss wissen, was wirklich passiert ist, in dieser Nacht, als es gebrannt hat …«
30
Lottie
Wenn ich mein »So lass ich mir die Arbeit gefallen!«-Seminar für die Mitarbeiter von Blay Pharmaceuticals gebe, ist eins meiner Themen: Man kann aus allem lernen. Ich nehme eine normale Arbeitssituation, und wir machen ein Brainstorming, dann legen wir eine Liste an: »Was haben wir daraus gelernt?«
Nach zwei Stunden auf Juri Zhernakoffs Jacht sieht meine Liste folgendermaßen aus:
Ich werde mir niemals die Lippen aufspritzen lassen.
Gegen eine Jacht hätte ich vielleicht doch nichts einzuwenden.
Krug ist ein göttliches Gesöff.
Juri Zhernakoff ist so reich, dass einem die Augen tränen.
Ben sabbert förmlich. Und was sollen die ganzen schleimigen Witze?
Entgegen Bens Überzeugung hat Juri keinerlei Interesse an »gemeinsamen Projekten«. Er wollte nur über das Haus reden.
Wenn man mich fragt, wird Juri die Papierfirma dichtmachen. Ben scheint davon nichts zu merken.
Ich glaube, Ben ist ein bisschen blöd.
Wir hätten nach dem Treffen nie, nie, nie direkt zurück zum Strand fahren sollen.
Das war unser großer Fehler. Wir hätten ein Stück die Küste rauffahren sollen, um uns dort absetzen zu lassen. Denn im selben Moment, als wir anlegten, fing Nico uns ab.
»Mr und Mrs Parr! Gerade noch rechtzeitig zu unserer Gala!«
»Was?« Ben hat ihn ziemlich böse angesehen. »Wovon reden Sie?«
»Du weißt schon.« Ich stoße ihn an. »Das Glückliche Paar der Woche.«
Es gab kein Entrinnen. Jetzt stehen wir mit etwa zwanzig anderen Hotelgästen da, trinken Cocktails und lauschen einer Band, die »Some Enchanted Evening« spielt. Alle reden nur davon, dass Juri Zhernakoffs Jacht in der Bucht vor Anker liegt. Ben hat mindestens fünfmal erzählt, dass wir vorhin an Bord waren und Krug getrunken haben. Es ist direkt etwas peinlich. Und jeden Moment müssen wir auf die Bühne, um den Preis für das Glückliche Paar der Woche entgegenzunehmen. Was total daneben ist.
»Können wir es nicht doch noch irgendwie abwenden?«, raune ich Ben zu. »Mal ehrlich, wir sind mitnichten das Glückliche Paar der Woche.«
Ben sieht mich nur an. »Wieso nicht?«
Wieso nicht? Ist das sein Ernst? »Weil wir schon von Scheidung reden!«, fauche ich.
»Aber trotzdem sind wir doch glücklich.« Er zuckt mit den Schultern.
Glücklich? Wie kann er glücklich sein? Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu. Am liebsten möchte ich ihm eine kleben. Er hat diese Ehe von Anfang an nicht ernst genommen. Für ihn war das alles nur ein Zeitvertreib. Ein Spleen. Wie damals, als ich auf skandinavische Strickwaren abfuhr und mir gleich eine Strickmaschine kaufen musste.
Aber eine Ehe ist doch keine Strickmaschine!, möchte ich ihn anschreien. Das Ganze ist ein schlechter Scherz. Ich will hier weg.
»Mrs Parr!« Nico stürzt sich auf mich, als hätte er schon geahnt, dass ich am liebsten flüchten möchte. »Wir wären dann gleich bereit für die Preisverleihung.«
»Ich kann es kaum erwarten.« Mein Sarkasmus trifft ihn ins Mark.
»Madam, ich bitte nochmals um Verzeihung für die Unannehmlichkeiten, die Sie auf sich nehmen mussten. Wie gesagt, als Wiedergutmachung würde ich Ihnen gern ein Deluxe-Wochenende für zwei in einer unserer Premium-Suiten anbieten, einschließlich sämtlicher Mahlzeiten und einer Schnorcheltour.«
»Das wird kaum reichen.« Finster sehe ich ihn an. »Sie haben uns die Flitterwochen verdorben. Sie haben unsere Ehe auf dem Gewissen.«
Nico blickt beschämt zu Boden. »Madam, ich bin
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