Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
sage ich eilig. »Tut mir leid!«
»Macht nichts.« Sie beruhigt sich ein wenig. » Mir tut es leid. Ich wollte dir hier nicht die Ohren vollheulen …«
»Sei nicht albern. Wozu bin ich denn sonst da?«
Es ist schrecklich, dass sie so verzweifelt ist. Natürlich ist es das. Grauenvoll. Aber insgeheim bin ich doch auch ein bisschen erleichtert. Ihre Fassade bröckelt. Ihr Trotz hat Risse bekommen. Das ist gut . Das ist ein Fortschritt.
»Jedenfalls weiß ich jetzt, was ich tun will, und da geht es mir schon viel besser. Alles wird gut, Fliss.« Sie putzt sich lautstark die Nase. »Ich spüre, dass ich eine Aufgabe habe. Einen Plan. Ein Ziel.«
Meine Ohren zucken. Oh-oh. Ein »Ziel«. Das ist so ein Ausdruck, bei dem alle meine Alarmglocken läuten. Neben »Projekt«, »Neuausrichtung« und »faszinierender neuer Freund«.
»Okay«, sage ich vorsichtig. »Super! Und was ist dein Ziel?«
In meinem Kopf schwirren schon die Möglichkeiten herum. Bitte nicht noch ein Piercing. Oder noch ein verrückter Hauskauf. Ich habe ihr schon so oft ausgeredet, ihren Job zu schmeißen, das kann es doch wohl nicht wieder sein, oder?
Bitte zieh nicht nach Australien.
Bitte nimm nicht sechs Kilo ab. Denn erstens ist sie schon dünn genug, und zweitens hat sie mich bei ihrer letzten Diät zu ihrem »Buddy« gemacht und mich beauftragt, sie alle halbe Stunde anzurufen und zu sagen: »Halt dich an deinen Plan, du fette Kuh«, und sich dann beschwert, als ich nicht mehr mitmachen wollte.
»Also, was ist es?«, dränge ich sie so sanft wie möglich. Ich bin ganz angespannt vor Sorge.
»Ich fliege morgen mit der ersten Maschine nach San Francisco, überrasche Richard und mache ihm einen Heiratsantrag!«
»Wie bitte?« Fast fällt mir das Telefon aus der Hand. »Nein! Keine gute Idee!«
Was soll denn das? Will sie in sein Büro reinplatzen? Ihn vor der Tür abfangen? Vor ihm niederknien und ihm den ach so »männlichen« Verlobungsring präsentieren? Das kann ich nicht zulassen. Das wird so eine Blamage werden. Sie wird am Boden zerstört sein, und ich muss hinterher die Scherben einsammeln.
»Aber ich liebe ihn!« Sie ist völlig überdreht. »Ich liebe ihn so sehr! Und wenn er nicht begreift, dass wir füreinander geschaffen sind, muss ich es ihm doch zeigen ! Dann muss ich doch diejenige sein, die den ersten Schritt tut. Ich bin gerade auf der Website von Virgin Atlantic. Sollte ich Premier Economy nehmen? Kannst du mir einen Preisnachlass besorgen?«
»Nein! Du wirst keinen Flug nach San Francisco buchen«, sage ich mit der festesten, autoritärsten Stimme, die ich zustande bringe. »Mach deinen Computer aus. Lass die Finger vom Internet.«
»Aber …«
»Lottie, sieh der Wahrheit ins Gesicht«, sage ich sanfter. »Richard hat seine Chance gehabt. Wenn er heiraten wollte, hätte er dich gefragt.«
Ich weiß, dass ich harsch klinge. Doch es stimmt. Männer, die heiraten wollen, machen Heiratsanträge. Man muss nicht nach versteckten Hinweisen suchen. Sie machen einen Antrag, und das ist Hinweis genug.
»Aber er ist sich gar nicht darüber im Klaren , dass er heiraten will!«, sagt sie eifrig. »Er muss nur überzeugt werden. Wenn ich ihm nur einen kleinen Schubs geben würde …«
Einen kleinen Schubs? Es klingt eher wie ein Ellbogen in die Rippen.
Plötzlich sehe ich vor mir, wie Lottie Richard an den Haaren vor den Altar zerrt, und schrecke zurück. Ich weiß genau, wie die Geschichte endet. Sie endet im Büro von Barnaby Rees, dem Scheidungsanwalt, bei einer Erstberatung für fünfhundert Pfund.
»Lottie, hör zu«, sage ich ernst. »Hör gut zu. Man sollte nicht in eine Ehe gehen, wenn man nicht mindestens zweihundertprozentig sicher ist, dass es klappt. Nein, sagen wir sechshundertprozentig.« Finster betrachte ich Daniels letzte Scheidungsforderungen. »Glaub mir. Es ist die Sache nicht wert. Ich habe es erlebt, und es ist … na ja, es ist fürchterlich.«
Am anderen Ende der Leitung wird es still. Ich kenne Lottie so gut. Ich kann förmlich sehen , wie sich ihre von Herzchen und Blümchen umrankte Vorstellung davon, Richard auf der Golden Gate Bridge einen Heiratsantrag zu machen, in Luft auflöst.
»Denk wenigstens vorher noch mal drüber nach«, sage ich. »Spring nicht ins kalte Wasser. Auf ein paar Wochen kommt es nicht an.«
Ich halte die Luft an, drücke die Daumen.
»Okay«, sagt Lottie schließlich und klingt verloren. »Ich denk darüber nach.«
Ich blinzle erstaunt. Ich habe es geschafft. Ich
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