Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
diese Vorträge oft zusammen, Steve und ich, und wir sind ein ganz gutes Team. Er ist für die wissenschaftliche Seite verantwortlich, ich für das Allgemeine. Er soll die Studenten davon überzeugen, dass unsere Entwicklungsarbeit die Speerspitze der Forschung darstellt. Und ich versichere ihnen, dass man sich gut um sie kümmern wird, dass eine spannende Karriere auf sie wartet und sie sich garantiert nicht unter Wert verkaufen.
»Keks?« Steve bietet mir einen Vanillebiskuit an.
»Nein, danke.« Ich schüttle mich. Ich habe schon genug ungesättigte Fettsäuren und Konservierungsstoffe in meinen Körper gestopft.
Vielleicht sollte ich mal in eins von diesen Bootcamps gehen. Alle sagen, Laufen verändert das Leben und gibt einem eine neue Perspektive. Ich sollte irgendwohin gehen, wo man nur rennt und isotonische Getränke zu sich nimmt. In den Bergen. Oder in der Wüste. Irgendeine ultraharte Herausforderung.
Oder beim Iron Woman mitmachen. Genau.
Ich greife nach meinem BlackBerry und will gerade Hardcore Running Camp Iron Woman googeln, als die Berufsberaterin hinter der Tür hervorlugt. Wir sind zum ersten Mal in diesem College, und entsprechend habe ich Deborah heute erst kennengelernt. Offen gesagt, finde ich sie seltsam. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so angespannt und schreckhaft ist.
»Alles bereit? Wir wollen in etwa zehn Minuten beginnen. An Ihrer Stelle würde ich mich kurz fassen.« Sie nickt energisch. »Eher knapp. Kurz und bündig.«
»Wir plaudern gern hinterher noch mit den Studenten«, sage ich und hole einen Stapel Broschüren zum Thema Warum bei Blay Pharmaceuticals arbeiten? aus meinem Stoffbeutel.
»Na gut.« Ihr Blick zuckt hin und her. »Also … wie gesagt, ich würde mich eher kurz fassen.« Fast bin ich versucht, sie anzufahren: »Dafür sind wir den ganzen Weg von London hierhergefahren?« Das kann ja wohl nicht wahr sein. Die meisten Berufsberater sind begeistert , wenn wir Fragen beantworten.
»Normaler Ablauf?«, frage ich Steve. »Ich, du, erster Film, ich, du, zweiter Film, Fragen?« Er nickt, und ich reiche Deborah die DVD . »Ich gebe Ihnen dann ein Zeichen. Sie werden es schon merken.«
Die Werbe- DVD ist der schlimmste Teil unserer Präsentation. Der Film sieht aus wie ein Musikvideo aus den 80ern, schlecht ausgeleuchtet, mit schlechter elektronischer Musik und Menschen mit schlechten Frisuren, die unbeholfen so tun, als säßen sie in einem Meeting. Aber der Film hat hunderttausend gekostet, also müssen wir ihn verwenden.
Deborah verschwindet, um die DVD einzulegen, und ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und versuche, mich zu entspannen. Aber meine Hände verkrampfen sich ineinander. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Alles fühlt sich dermaßen schrecklich an. Was soll aus meinem Leben werden? Wo will ich hin? Was tue ich?
Und dabei geht es im Übrigen nicht um Richard. Der hat rein gar nichts damit zu tun. Es geht um mein Leben. Ich brauche … ich weiß nicht. Eine neue Richtung. Eine andere Energie.
Auf dem Stuhl neben mir liegt ein Buch, und ich greife danach. Das Umkehrprinzip: Ändern Sie Ihre Geschäftsstrategie für immer , und auf dem Umschlag steht groß und breit »10 Millionen verkaufte Exemplare!«
Mich sticht der Frust über mich selbst. Wieso lese ich nicht mehr Fachbücher? Das ist in meinem Leben schiefgelaufen. Ich habe mich nicht genug um meine Karriere gekümmert. Ich blättere darin herum, versuche, die Informationen so schnell wie möglich aufzusaugen. Da gibt es haufenweise Grafiken mit Pfeilen, die in eine Richtung zeigen, dann umkehren und in die entgegengesetzte Richtung deuten. Die Botschaft ist klar: Dreh den Pfeil um. Das habe ich schon nach zwei Sekunden begriffen. Ich muss wohl ein Naturtalent sein.
Vielleicht sollte ich alle diese Bücher lesen und Expertin werden. Vielleicht sollte ich die Harvard Business School besuchen. Plötzlich sehe ich mich in einer Bibliothek sitzen, den Kopf voller Geschäftsprinzipien. Und wenn ich wieder nach England komme, übernehme ich eines der hundert führenden Aktienunternehmen. Meine Welt bestünde aus Ideen und Strategien. Aus intellektuellen, hochgestochenen Gedanken.
Gerade google ich Harvard Auslandsstudium , als Deborah wieder auftaucht.
»Die Studenten müssten jetzt versammelt sein«, presst sie hervor und klingt verzweifelt.
»Oh, okay.« Unwillig wende ich mich ihr zu. Was hat sie eigentlich für ein Problem? Vielleicht ist sie neu. Vielleicht macht sie das hier
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