Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
habe es tatsächlich geschafft! Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine von Lotties unglücklichen Entscheidungen abgewehrt, bevor es zu spät ist. Ich habe die Infektion im Keim erstickt, bevor sie sich einnisten konnte.
Vielleicht wird Lottie auf ihre alten Tage noch vernünftig.
»Lass uns was essen gehen«, schlage ich vor, um sie aufzuheitern. »Auf meine Kappe. Sobald ich aus dem Urlaub wieder da bin.«
»Ja, das wäre schön«, sagt Lottie leise. »Danke, Fliss.«
»Pass auf dich auf. Bis bald.«
Sie legt auf, und ich atme meinen Frust mit einem Stöhnen aus – obwohl ich gar nicht sicher bin, wer mich mehr frustriert. Richard? Daniel? Gavin? Gunter? Alle Männer? Nein, nicht alle Männer. Vielleicht alle Männer, bis auf einige löbliche Ausnahmen: Barnaby, mein supernetter Milchmann Neville, der Dalai Lama natürlich …
Plötzlich sehe ich mich im Computerbildschirm, und ich beuge mich entsetzt vor. In meinen Haaren steckt eine Nerf-Patrone.
Na toll.
3
Lottie
Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.
Das sagt man so und meint damit: Ich bin ein paarmal aufgewacht, habe mir einen Becher Tee gemacht und bin wieder ins Bett gegangen. Aber ich habe wirklich die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich habe jede einzelne Stunde gezählt.
Um ein Uhr kam ich zu dem Schluss, dass Fliss total falschlag. Um halb zwei hatte ich einen Flug nach San Francisco gefunden. Um zwei hatte ich die perfekte, liebevolle, leidenschaftliche Rede verfasst, einschließlich einiger Zeilen von Shakespeare, Richard Curtis und Take That. Um drei Uhr hatte ich mich bei meiner Rede gefilmt (elf Versuche). Um vier hatte ich mir alles angesehen und die schreckliche Wahrheit erkannt: Fliss hat absolut recht. Richard wird nie im Leben Ja sagen. Er wird nur ausflippen. Besonders, wenn ich diese Rede halte. Um fünf Uhr hatte ich das ganze Häagen Dasz aufgegessen. Um sechs Uhr hatte ich den Rest vom Ben & Jerry’s aufgegessen. Und jetzt hocke ich auf einem Plastikstuhl, mir ist übel, und ich bereue das alles.
Ein Teil von mir überlegt immer noch, ob es der größte Fehler meines Lebens war, Richard zu verlassen. Wäre ich geblieben, hätte ich mir auf die Zunge gebissen und das Thema Hochzeit nie wieder erwähnt, hätte unsere Beziehung vielleicht eine Chance gehabt, oder? Irgendwie?
Doch ansonsten denke ich rationaler. Man sagt »Frauen folgen der Intuition, Männer der Logik«, aber das ist Quatsch. Ich habe Logik an der Uni studiert, danke der Nachfrage. Ich weiß, wie es geht. A = B , B = C , also A = C . Und was könnte logischer sein als folgende knappe und unvoreingenommene Argumentation?
Erste Prämisse: Richard hat nicht die Absicht, mir einen Antrag zu machen, das hat er deutlich formuliert.
Zweite Prämisse: Ich wünsche mir einen Ehemann und das Bekenntnis zueinander und eines Tages vielleicht ein Baby.
Schlussfolgerung: Richard und ich sind nicht füreinander bestimmt, und ich muss mir jemand anderen suchen.
Weitere Schlussfolgerung: Daher war es richtig, mich von ihm zu trennen.
Schlussfolgerung Nummer drei: Ich muss einen anderen Mann finden, der sich mit mir ein gemeinsames Leben aufbauen will und nicht jedes Mal Panik kriegt, wenn von Hochzeit die Rede ist, als wäre das eine so entsetzliche Vorstellung. Jemanden, dem klar ist, dass man nach drei gemeinsamen Jahren vielleicht doch von einem Bekenntnis träumt, von Kindern und einem Hund und … und davon, zusammen einen Weihnachtsbaum zu schmücken … Und was ist so schlimm daran? Wieso ist das Thema dermaßen tabu, dass es nicht mal erwähnt werden darf? Wenn alle sagen, dass wir so ein tolles Paar sind und wir so glücklich miteinander waren und selbst deine eigene Mutter schon angedeutet hat, dass wir vielleicht ja irgendwann bei ihr in der Nähe wohnen, Richard?
Okay, vielleicht doch nicht ganz so unvoreingenommen. Und auch nicht knapp.
Ich nehme einen Schluck Kaffee und versuche, meine Nerven zu beruhigen. Sagen wir, ich bin so ruhig und logisch, wie man es unter den gegebenen Umständen erwarten kann, zu denen zählt, dass ich den Zug um 7.09 Uhr nach Birmingham kriegen musste, ohne geschlafen zu haben, und alle Metros schon weg waren. Und ich soll vor hundert Studenten einen Vortrag halten, in einem Auditorium, in dem es nach überbackenem Blumenkohl riecht.
Ich bin mit meinem Kollegen Steve im Backstage-Raum neben dem Auditorium, und er sitzt über seinen Kaffee gebeugt und sieht ungefähr so lebhaft aus, wie ich mich fühle. Wir machen
Weitere Kostenlose Bücher