Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
schlimm aus.«
Die Dachterrasse. Selbst ich weiß von der Dachterrasse. Lottie hat mich irgendwann angerufen, um mir zu erzählen, dass sie haufenweise hübsche Gartengeräte bestellt habe, um dort oben einen Gemüsegarten anzulegen.
»Also, ich lasse ja mit mir reden«, sagt der Mann, »aber versprochen ist versprochen, und schließlich haben wir alle unseren Teil zu den Pflanzen beigetragen, aber leider habe ich das unbestimmte Gefühl …«
»Sie wird es schon noch machen, okay?« Richard tritt vor, und seine Stimme dröhnt so laut, dass die Lampen förmlich zittern. »Sie plant was Großes. Sie ist ein kreativer Mensch. So was braucht seine Zeit. Schönen Tag noch !«
Erschrocken weicht der ältere Mann zurück, und ich betrachte Richard mit einigem Staunen. Wow. Ich hätte nichts dagegen, wenn hin und wieder mal jemand für mich so in die Bresche springen würde.
Außerdem hatte ich recht. Er ist definitiv eher Bulle als Löwe. Wenn er ein Löwe wäre, würde er Ben längst unauffällig im Unterholz auflauern. Dafür ist Richard viel zu geradeaus. Er würde eher auf das nächstbeste Ziel zustürmen, selbst wenn dabei tausend Teetassen zu Bruch gingen.
Die Tür fällt zu, und wir sehen uns unsicher an, als hätte die kleine Unterbrechung die Atmosphäre verändert.
»Ich sollte gehen«, sagt Richard plötzlich und knöpft seinen Regenmantel zu.
»Du willst zurück nach San Francisco?«, sage ich bestürzt. »Einfach so?«
»Natürlich.«
»Aber was ist mit Lottie?«
»Was soll mir ihr sein? Sie ist verheiratet, und ich wünsche ihr alles Glück der Welt.«
»Richard …« Ich zögere, weiß nicht, was ich sagen soll.
»Sie waren Romeo und Julia, und jetzt haben sie sich wiedergefunden. Passt doch. Mögen sie glücklich werden.«
Ich merke, wie aufgewühlt er ist. Total aufgewühlt. Er beißt die Zähne zusammen und starrt ins Leere. Oh Gott, ich fühle mich schrecklich. Ich hätte ihm nicht aus ihrem Tagebuch vorlesen sollen. Ich habe ihm alles nur deshalb vor den Latz gehauen, um ihm seine Selbstgefälligkeit auszutreiben.
»Die beiden sind nicht Romeo und Julia«, sage ich energisch. »Hör zu, Richard, falls es dich wirklich interessiert: Die beiden sind total durchgeknallt. Lottie kann nicht mehr klar denken, seit ihr euch getrennt habt, und offenbar steckt dieser Ben mitten in einer Midlife-Crisis … Richard, hör mir zu. Bitte.« Ich lege meine Hand auf seinen Arm und warte, bis er mir zuhört. »Diese Ehe wird nicht halten. Da bin ich mir ziemlich sicher.«
»Wie kannst du dir so sicher sein?« Er sieht mich finster an, als würde er mich hassen, weil ich in ihm Hoffnung wecke.
»Ist nur so ein Gefühl«, sage ich geheimnisvoll. »Nenn es schwesterliche Intuition.«
»Wie dem auch sei.« Er zuckt mit den Schultern. »Das kann dauern.« Er geht ins Schlafzimmer und holt seinen Koffer.
»Vielleicht auch nicht!« Ich laufe ihm hinterher und halte ihn an der Schulter fest, damit er stehen bleibt. »Ich meine … es könnte schneller gehen, als du denkst. Viel schneller. Was ich sagen will: An deiner Stelle würde ich nicht aufgeben. Ich würde in der Nähe bleiben und mal sehen, was sich so ergibt.«
Richard schweigt einen Moment, ringt offensichtlich mit der Hoffnung. »Wann genau haben sie geheiratet?«, fragt er plötzlich.
»Heute früh.« Ich krümme mich innerlich, als mir klar wird, wie beschissen sein Timing war. Wäre er doch nur einen Tag früher gekommen …
»Dann haben sie heute Abend also ihre …« Er stockt, als könnte er es nicht ertragen, das Wort auszusprechen.
»Hochzeitsnacht. Ja. Ja, das könnte man so sagen.« Ich mache eine Pause und betrachte meine Fingernägel – mit bewusst ausdrucksloser Miene, die Unschuld vom Lande. »Tja. Wer weiß, wie die wohl ausgehen mag.«
10
Lottie
Ich kann nicht mehr. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Ich werde der erste Mensch sein, der je an sexueller Frustration gestorben ist.
Ich kann mich erinnern, dass mir als Kind das Warten auf mein Taschengeld unerträglich lang vorkam. Das Warten auf meinen Geburtstag. Das Warten auf Weihnachten. Aber noch nie habe ich einen solchen Albtraum erlebt wie jetzt. Es ist eine grausame Tortur. Fünf Stunden, vier Stunden, drei Stunden noch … den ganzen Flug und die Autofahrt vom Flughafen über habe ich leise vor mich hin gebetet bald … bald … bald … Es ist die einzige Möglichkeit, nicht den Verstand zu verlieren. Ben tätschelt an meinem Bein herum. Er starrt stur
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