Das Höllenbild
Sorgen machte. So klar wie der Fall aussah, schien er nicht zu sein. »Sie haben ja gehört, daß der Commander und seine Männer die Terroristin auf einer Insel hatten stellen wollen. Das klappte nicht, weil sie weg war. Tatsächlich aber war sie noch vorhanden.«
»Und wo?« fragte ich.
»Langsam, John, langsam. Vor gut einem halben Jahr wurde die Insel von Geologen durchsucht. Und die schauten nicht nur auf der Oberfläche nach, sie suchten auch im Innern, denn sie fanden tatsächlich einen Zugang. So etwas wie eine Falltür in der Tiefe. Es kann ein Zufall gewesen sein, wie auch immer, die Männer und Frauen waren von ihrer Entdeckung begeistert. Sie seilten sich in das Innere der Insel ab, fanden einen Gang und auch so eine Höhle. Sie entdeckten einen Rucksack, in dem sie zwei Handgranaten neben einigem Proviant fanden, und es fiel ihnen eine auf dem Boden liegende Taschenlampe auf. Das allein war schon verwunderlich, aber die größte Überraschung stand ihnen noch bevor, denn an einer breiten Stelle innerhalb der rechten Gangseite stießen die Forscher auf ein uraltes Gemälde.«
»Eine Wandmalerei«, sagte Suko.
»In der Tat!« bestätigte Sir James. »Ein Rest aus einer sehr weit zurückliegenden Zeit. Das Bild zeigte einen götterähnlichen Mann schräg über einer Frau schwebend, die um ihren Kopf ein Tuch gewickelt hatte und den Eindruck einer frommen, aber auch leidenden Frau machte. Dieses Bild an sich war schon etwas Unwahrscheinliches, aber das Sahnehäubchen darauf folgte noch. Auf dem Gemälde entdeckten sie noch eine weitere Person, und zwar eine gewisse Arlene Shannon. Fast nackt, aber schwerbewaffnet hockte sie zu den Füßen des schwebenden Götterboten und starrte nach vorn, dem Betrachter entgegen.«
Das war eine Überraschung. Suko und ich holten tief Luft, während der Commander seine Brille abgenommen hatte und mit einer wahren Hingabe die Gläser putzte, damit er einen besseren Durchblick bekam.
»Was sagen Sie?«
Diesmal antwortete ich. »Es wird Ihnen etwas dumm vorkommen, Sir, aber wie ich hörte, soll sich das Bild oder Gemälde in einem Museum befinden.«
»Dort steht es zur Besichtigung.«
»Wie das?«
»Man hat es aus dem Stein herausgehauen. Man führte auch Sprengungen durch. Es entstand ein Krater, dann konnte man dieses Bild, das in Wirklichkeit ein Stück Mauer ist, aus der Erde hervorhieven und wegtransportieren.«
»Ins Museum«, murmelte ich. »Dort können Sie es besichtigen.« Ich schaute den Commander an.
Seine Brille saß wieder korrekt. »Haben Sie es auch gesehen?«
»Natürlich. Mir fiel es auf. Ich habe das Museum zufällig besucht, sah diese bemalte Steinwand in einem Extra räum dort stehen und dachte, daß mich der Schlag trifft. Ich – ich traute meinen Augen nicht. Erstens wegen dieser Arlene Shannon, aber auch deshalb, weil sie, im Gegensatz zu mir, nicht gealtert ist. Diese zehn Jahre sind an ihr spurlos vorübergegangen. Das muß man sich mal vorstellen. Diese Person sitzt zehn Jahre als Gefangene in einem Bild, und nun stellt sich die Frage, wie Arlene Shannon dort hineingekommen ist?«
»Ja, da haben Sie recht.«
»Und Sie beide sollten möglichst die Antwort finden. Ich will es so formulieren. Für mich ist da einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen.«
»Da könnten Sie recht haben, Commander.«
»Wissen Sie schon einen Weg?«
»Hören Sie auf!« Ich winkte ab. »Das ist unmöglich. Tatsache ist, daß Arlene Shannon als Teil dieses Bildes vorhanden ist.«
»Ja.«
»Sie haben sich auch nicht geirrt?« fragte Suko.
Der Commander lachte scharf. »Nein, auf keinen Fall. Gerade die Shannon kenne ich verdammt gut. Hinzu kommt, daß die in ihrer Kampfkleidung und Bewaffnung überhaupt nicht in das sehr alte und friedliche Motiv hineinpaßt. Da ist etwas geschehen, das weit über meinen Horizont hinausgeht und mit einem gesunden Realismus nichts zu tun hat.«
»Möglich«, murmelte ich und stellte die nächste Frage lauter. Sie galt allerdings mehr unserem Chef. »Haben Sie das Gemälde denn untersuchen lassen, Sir?«
»Ja, das haben wir.«
»Ergebnis unbefriedigend?«
»Kann man so sehen. Das Gestein ist uralt, die Farbe hat sich gehalten. Man hat sie auch untersucht, und wenn sich die Wissenschaftler nicht geirrt haben, müssen wir von einem Phänomen sprechen.«
»Sehr alt?« fragte ich leise.
»Ja.«
»Ungefähr…?«
»Man tippt auf zehntausend Jahre und mehr.«
Ich schwieg, aber nicht, weil ich nicht mehr weiter wußte,
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