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Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman

Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman

Titel: Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Hawkwood mit unverhohlener Feindseligkeit an, während der Schreiber anfing, die persönlichen Angaben in sein Journal einzutragen, wobei er alles leise wiederholte. »Rang: Captain; Datum der Gefangennahme: 20. Januar; Ort: Ciudad Rodrigo; Ankunft: 27. Mai; Strafurlaub beantragt; körperliche Merkmale …« Der Schreiber sah wieder auf und murmelte: »Größe: etwa sechs Fuß; Narben auf der linken Gesichtsseite … mürrisch aussehender Kerl. Dem Geschützdeck zugeteilt. Der Nächste!«
    Nachdem er dieser Beschreibung und dem Kommentar zugehört hatte, bedachte der Leutnant Hawkwood mit einem letzten angewiderten Blick, ehe er sich abwandte.
    »Verdammter Überläufer« , hörte Hawkwood ihn murmeln.
    Der Dolmetscher bedeutete Hawkwood weiterzugehen. Hinter sich hörte er, wie Lasseur seinen Namen nannte und die Litanei des Schreibers aufs Neue begann.
    Am nächsten Tisch wurde den Gefangenen eine zusammengerollte Hängematte, eine fadenscheinige Decke und eine dünne, mit Wolle gefüllte Matratze ausgehändigt.
    Hawkwood betrachtete aufmerksam die bewaffneten Wachen, die rings um das Deck standen. Sie waren von Navysoldaten hierher begleitet worden, die zum Dienst an Land abgestellt waren, aber weder die Armee noch die Navy schickte gern Berufssoldaten auf die Hulks. Männer, die zum Kämpfen taugten, wurden auf den Schlachtfeldern gebraucht. Diese Leute hier gehörten zu einer lokalen Miliz, die speziell dafür rekrutiert wurden, das wusste er von Ludd. Er hatte gesehen, wie zwei der Wachen bei dem erzwungenen Bad des Jungen verständnisinnige Blicke tauschten, als sie seine zarten, runden Pobacken sahen. Der eine hatte den anderen angestoßen und gekichert: »Warte mal, bis seine Majestät das sieht!«
    Die Aufnahmeformalitäten erstreckten sich über zwei Stunden. Dabei waren es gar nicht so viele Neuankömmlinge – insgesamt drei Bootsladungen, vielleicht nicht mehr als vierzig Mann -, aber der schlecht gelaunte Verwaltungsbeamte schien entschlossen, allen zu zeigen, wie pedantisch er sein konnte. Langsam jedoch wurde die Schlange der Männer kürzer. Zu gern hätte Hawkwood gewusst, warum sie alle auf einer Hälfte des Quarterdecks versammelt worden waren, statt nach unten geschickt zu werden. Den Grund erfuhr er, nachdem der letzte Häftling sein Bettzeug empfangen hatte. An der Reling des Decks über ihnen erschien eine Gestalt. Der Mann war groß und grobknochig, sein Gesicht hager und bleich. Die weiße Einfassung seiner Revers wies ihn als einen weiteren Leutnant aus, obwohl er für diesen Rang zu alt schien. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, sah er unbewegt auf die Männer, die unter ihm versammelt waren. Seine Augen erschienen sehr dunkel. Allmählich merkten die Männer, dass sie beobachtet wurden, und es trat eine angespannte Stille ein. Der Leutnant sah unter seinem Dreispitz hervor, sein intensiver Blick wanderte über die Gesichter, die zu ihm hinaufsahen. Der Schreiber und der Leutnant am Tisch erhoben sich.
    Der hagere Leutnant stand völlig reglos an der Reling und starrte immer noch nach unten. Niemand sprach. Nur die Schreie der Möwen, die ständig über dem Schiff kreisten, unterbrachen die Stille. Dann, plötzlich, es schien Minuten später, obwohl es nicht länger als zwanzig bis dreißig Sekunden gedauert haben konnte, trat der Leutnant von der Reling zurück, drehte sich abrupt um, und immer noch ohne ein Wort verschwand er nach dort, wo er hergekommen war.
    »Unser tapferer Commander«, flüsterte Lasseur. »Es heißt, er habe mal eine Fregatte befehligt, mit der er vor Finisterre ein Gefecht mit einer unserer Achtziger hatte, in der er das Schiff aufgab. Als sie ihn gegen andere Gefangene ausgetauscht hatten, kam er vors Militärgericht.« Lasseur zog die Wangen ein. »Seitdem säuft er, sagt man.«
    Hawkwood fragte sich, woher Lasseur diese Information wohl hatte. Manche Leute hatten ein wahres Talent dafür, alle möglichen Gerüchte aufzuschnappen. Obwohl Lasseur diesmal nur zur Hälfte Recht hatte. Der Commander des Hulks, wenn es sich bei dem Leutnant tatsächlich um diesen handeln sollte, hieß Hellard und war tatsächlich vom Rang eines Captain degradiert worden. Aber es war in Funchal, nicht in Finisterre, wo sein Schicksal besiegelt worden war, und er hatte schon vor der Schlacht zur Flasche gegriffen, nicht erst hinterher. Ludd hatte Hawkwood während seines Briefings die Geschichte genau geschildert; obwohl es nichts an der Tatsache änderte, dass Hellard als Strafe

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