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Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman

Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman

Titel: Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Schultern und grinste bescheiden. »Ein entfernter Verwandter auf Seiten meiner Mutter. Tut mir leid, aber unser einziger Berührungspunkt ist wohl, dass wir mal denselben Schneider beschäftigt haben. Ich …«
    »Wie viel willst du für deine Stiefel?«
    Hawkwood merkte, wie ihn jemand am Ärmel zupfte. Einer der Gefangenen in gelber Kluft hatte seinen Arm ergriffen. Hawkwood prallte zurück von dem ranzigen Gestank, der von dem Mann ausging. »Sie sind nicht zu verkaufen.«
    Die Jacke des Mannes hatte ausgefranste Löcher in den Ellbogen und die Knie seiner Hose glänzten wie frisch gebohnert. Seine Füße steckten in Drillichpantoffeln, aber diese waren viel zu klein für ihn, denn seine Fersen ragten mindestens einen Zoll über die Sohlen hinaus. Auf seinem Nacken hatte er mehrere Furunkel, und sein Hemdkragen hatte die Farbe von getrocknetem Schlamm.
    »Zehn Franken.« Der Griff um Hawkwoods Arm wurde fester.
    Hawkwood sah auf die Finger des Mannes. »Lass los, oder ich brech dir den Arm.«
    »Zwanzig.«
    »Lass ihn in Ruhe, Chavasse! Du hast doch gehört, er will sie nicht verkaufen.« Murat hob die Hand. »Und außerdem sind sie zehnmal so viel wert. Hau ab und geh jemand anderem auf die Nerven.«
    Hawkwood zog seinen Arm weg. Der Gefangene ging davon.
    Der Dolmetscher wandte sich an Hawkwood. »Passen Sie auf Ihre Sachen auf, bis Sie sich hier besser auskennen, sonst sehen Sie sie nie wieder. Kommen Sie jetzt, ich zeige Ihnen, wo es hingeht.«
    Murat schob sich an ihnen vorbei und stieg die fast senkrechte Treppe hinab. Hawkwood und Lasseur folgten ihm. Es kam ihnen vor, als stiegen sie in ein schlecht beleuchtetes Bergwerk. Als sie drei Viertel der Treppe hinter sich gebracht hatten, musste Hawkwood den Kopf einziehen, um nicht gegen den Balken über sich zu stoßen. In seinem Rücken knackte es. Er hörte, wie Lasseur leise lachte, was in dieser Situation grotesk wirkte.
    »Daran werden Sie sich auch gewöhnen«, sagte Murat trocken.
    Hawkwood konnte nichts sehen. Der plötzliche Übergang vom Tageslicht in diese Grabesfinsternis war abrupt und beängstigend. Wenn Murat nicht seine gelbe Jacke getragen hätte, wäre es in dieser Dunkelheit unmöglich gewesen, ihm zu folgen. Es war, als hätte jemand die Sonne ausgelöscht. Hawkwood blieb stehen und wartete, bis seine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten.
    »Weitergehen!« Der Befehl kam von hinten.
    »Hier lang«, sagte Murat und zeigte die Richtung an. »Und ziehen Sie den Kopf ein.«
    Die Warnung war unnötig. Hawkwood hatte bereits einen steifen Hals. Die Höhe vom Deck bis zu den Balken über ihnen konnte nicht mehr als fünfeinhalb Fuß betragen.
    Murat sagte: »Man merkt sofort, dass Sie Soldat sind und kein Seemann, Captain. Sie gehen ganz anders. Aber wie ich schon sagte, daran werden Sie sich gewöhnen.«
    Jetzt nahm Hawkwood undeutlich ein paar gebückte Gestalten wahr, die sich vor ihm bewegten. Sie erinnerten eher an Höhlenbewohner als an zivilisierte Menschen. Und der Gestank hier unten war noch viel schlimmer; eine Mischung aus Schweiß und Pisse. Hawkwood versuchte, durch den Mund zu atmen, aber er stellte fest, dass das auch nicht viel half. Vorsichtig ging er weiter. Die undeutlichen Umrisse nahmen langsam Gestalt an. Jetzt konnte er auch auf beiden Seiten helle Vierecke erkennen, wo das Tageslicht durch die offenen, vergitterten Geschützöffnungen fiel.
    »Das wär’s«, sagte Murat. »Das Geschützdeck.«
    Allmächtiger, dachte Hawkwood.
    Im grauen, wässrigen Dämmerlicht konnte er sehen, dass das Deck ungefähr vierzig Fuß breit war. Wie lang es war, konnte er nur grob schätzen, denn er konnte die Enden kaum sehen, sie verschwanden vorn und achtern in der Dunkelheit. Man kam sich eher wie in einem Keller vor als in einem Schiffsrumpf. Hier, wo sie standen, waren sie zu weit von den Geschützöffnungen entfernt, als dass das Tageslicht sie erreicht hätte, aber mit etwas Mühe konnte er erkennen, dass auch in der Mitte, genauso wie an den Seiten, Bänke entlangliefen. Und es schien, dass sie alle belegt waren. Der größte Teil des Fußbodens war ebenfalls von Menschenkörpern bedeckt. Trotz des schwachen Lichtes schienen viele der Männer mit irgendetwas beschäftigt zu sein. Einige strickten, andere flochten Hüte aus etwas, das wie Stroh aussah. Mehrere von ihnen schnitzten kleine Figuren aus Knochen, Hawkwood vermutete, dass es sich vielleicht um Schachfiguren handelte. Er fragte sich nur, wie hier überhaupt jemand sehen

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