Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
erzählen. Es wird helfen, uns vom Essen abzulenken. Was ist heute, Freitag? Das heißt es gibt Dorsch. Ich warne Sie schon jetzt, er wird nicht genießbar sein. Aber eigentlich ist es egal, welcher Tag es ist, das Essen ist immer ungenießbar.« Der Lehrer lächelte und deutete eine kurze, förmliche Verbeugung an. »Mein Herren!«
Hawkwood und Lasseur sahen ihm nach. Sein rechtes Bein schien steif zu sein, und sein Gang war langsam und schwerfällig.
»Dorsch«, wiederholte Lasseur verzweifelt und schloss die Augen. »Heilige Muttergottes!«
Der nächste Trupp Wachen hatte keine Eisenstangen. Stattdessen benutzten sie Musketen mit aufgepflanzten Bajonetten, um die Gefangenen aufs Oberdeck zu treiben. Von dort mussten sie einzeln wieder hinabsteigen, wobei sie gezählt wurden. Der Leutnant, der bei der Aufnahme dabei gewesen war, führte hierbei die Aufsicht. Hawkwood erfuhr, dass er Thynne hieß.
Das Zählen war eine langwierige Sache. Bis es zur Zufriedenheit des Leutnants beendet war, waren die Schatten lang geworden. Im Dämmerlicht machten sich die Gefangenen auf zur Back, um sich in die Schlange fürs Abendessen einzureihen.
Das Essen war so unappetitlich, wie Fouchet es vorhergesagt hatte. Die Gefangenen wurden in Gruppen zu jeweils sechs Mann eingeteilt. Das Essen wurde in der hölzernen, rauchgeschwärzten Hütte auf der Back ausgegeben. Wachen passten auf, wie ein Abgesandter jeder Gruppe Brot, rohe Kartoffeln und Fisch von einem Helfer in Empfang nahm. Anschließend wurde das Essen zu großen Kesseln gebracht, wo es von dem Gruppenmitglied, das Küchendienst hatte, gekocht wurde. Dann bekam jede Gruppe ihre Zuteilung. Fouchet war zuständig für Hawkwoods Gruppe.
Lasseur starrte auf den Inhalt seines Blechnapfes. »Mit diesem Fraß können selbst Franzosen nichts anfangen.« Mit dem Holzlöffel schob er eine Kartoffel herum. »Hier werde ich verhungern.«
»Und ich glaube, Sie werden nicht allein sterben«, sagte Hawkwood.
»Es könnte schlimmer sein«, meinte Fouchet missmutig. »Zum Beispiel, wenn heute Mittwoch wäre.«
»Was passiert mittwochs?«, fragte Lasseur zögernd und sofort misstrauisch geworden.
»Sagen Sie’s ihm, Millet.« Fouchet gab dem Mann neben sich einen Schubs, einem Seemann mit traurigen Augen und eingefallener Brust, dessen sommersprossige Unterarme mit tätowierten Seeschlangen bedeckt waren.
Der Seemann nahm einen Löffel voll Fisch und betrachtete ihn misstrauisch. »Dann gibt’s Salzhering.« Millet schaufelte das Stück Fisch in den Mund und kaute geräuschvoll. Er hatte nicht mehr viele Zähne, wie Hawkwood bemerkte. Die wenigen, die er noch hatte, waren nur noch graue Stummel. Hawkwood vermutete, dass es sich hier um einen Mann mit fortgeschrittenem Skorbut handelte. Kein Wunder bei der Verpflegung, wie die Männer sie beschrieben.
Entsetzt sah Lasseur den Mann an.
»Normalerweise verkaufen wir ihn an den Händler zurück.« Der Sprecher saß neben Millet am Ende des Tisches. Er war ein mageres Geschöpf mit tiefliegenden braunen Augen, einer Hakennase und sehr blasser Haut, wie man durch die Löcher in seiner Gefangenenkluft sehen konnte. »Der gibt uns zwei Sous dafür. In der nächsten Woche bringt er uns die Heringe wieder, so dass wir sie erneut an ihn verkaufen können. Die meisten von uns kaufen sich dann mit dem Geld Extrarationen Käse oder Butter. Das hilft, den Geschmack vom Brot etwas zu maskieren.«
Lasseur hob eine trockene Kruste auf. »Das soll Brot sein? Das Zeug würde gute Munition für Kanonen abgeben. Wenn wir das vor Trafalgar gehabt hätten, wäre die Schlacht anders ausgegangen.«
»Was glauben Sie denn, was die Briten dort benutzt haben?«, sagte Fouchet. Er nahm sein Stück Brot und schlug damit auf die Tischplatte. Es klang wie Hammerschläge auf Holz. Er zwinkerte dem Jungen zu, der bis dahin vergeblich versucht hatte, mit seinem Holzlöffel eine Kartoffel zu zerkleinern. »Gib her«, sagte Fouchet und löste das Problem, indem er den widerspenstigen Gegenstand mit seinem eigenen Löffel zerdrückte. Er gab den Napf zurück, der Junge lächelte nervös und aß weiter. Er war der Einzige am Tisch, der sich über das Essen nicht geäußert hatte.
»Gibt es denn jemals Fleisch?«, wollte Hawkwood wissen.
»Jeden Tag außer Mittwoch und Freitag«, sagte Millet ohne große Begeisterung. »Fragen Sie aber nicht, was es ist. Die Händler sagen, es ist Rindfleisch, aber wer weiß? Es könnte alles sein, von Schwein bis
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