Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
Abwesenheit habe ich die Ehre, ihn im Krankenrevier zu vertreten.«
Nach allem, was er gesehen hatte, zweifelte Hawkwood an dieser sogenannten Ehre.
»Was er damit sagen will, ist, dass dieser Hundesohn eine einträgliche Privatpraxis hat«, sagte Lasseur verächtlich. »Natürlich interessiert ihn das Geld, das er mit seinen reichen englischen Lords und Ladies verdienen kann, mehr als wir hier.«
Der Arzt ignorierte Lasseur und hob vorsichtig den Rand des Verbandstoffes auf Hawkwoods linker Seite und sah nach der Wunde darunter. »Ich würde empfehlen, dass Sie sich so wenig wie möglich bewegen, damit die Naht nicht wieder aufgeht.«
Hawkwood hielt dies für einen Scherz des jungen Mediziners.
Doch der schnalzte leise mit der Zunge. »Sie hatten großes Glück, Captain. Ihre Verletzung wird gut heilen, vorausgesetzt Sie halten sie sauber, was hier nicht ganz einfach sein dürfte, aber Sie sollten es wirklich versuchen. Die Narben werden gut zu Ihrer restlichen Sammlung passen, und ich muss zugeben, die ist beachtlich.« Die braunen Augen wanderten über Hawkwoods Brust, und er kniff sie etwas zu, als sie den schwach bläulichen Ring um seinen Hals bemerkten.
»Keine Sorge«, sagte Lasseur im Bühnenflüstern. »Er sieht zwar aus, als ob er beim Rasieren immer noch übt, aber er weiß schon, was er macht. Sagt er wenigstens.«
Girard grinste wehmütig. »Ich war Assistenzarzt in der Garnison von Procida, ehe ich in Gefangenschaft geriet. Die Briten meinten, ich sollte mich besser hier nützlich machen, anstatt auf dem Geschützdeck Knochen zu schnitzen.«
»Das ist unser Glück«, sagte Lasseur, »wenn die ihren eigenen Mann nicht mal zu ein paar Hausbesuchen überreden können.«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil, Dr. Pellows letzte Visite war erst vor ein paar Tagen. Ich glaube, Sie hatten ihn gerade verpasst. Nein, Moment mal – es muss an dem Tag gewesen sein, an dem Sie angekommen sind. Vielleicht hatten Sie sogar Gelegenheit, ein Beispiel seiner Krankenbehandlung zu erleben.« Die Stimme des Arztes klang hart.
Hawkwood und Lasseur machten ein verdutztes Gesicht. Dann stieß Lasseur einen Fluch aus. »Das Boot, das sie abtreiben ließen! Das war Pellow?«
Girard nickte, den Mund grimmig zusammengepresst. »Das waren Gefangene, die von Cadiz hierherverlegt worden waren. Als er sah, in welchem Zustand sie waren, behauptete er, sie hätten eine Infektionskrankheit und müssten auf das Krankenschiff. Aber die armen Teufel hatten nichts Ansteckendes, sie waren von den Spaniern nur miserabel behandelt worden. Aber die Briten sind ja auch nicht besser. Die behandeln ihre Haustiere besser als ihre Gefangenen, besonders wenn es sich um Franzosen handelt. Zum Glück sehen wir Pellow nur einmal die Woche, wenn es hoch kommt.«
»Bastard!«, war Lasseurs Kommentar.
Man merkte deutlich, dass in Lasseur noch immer die Wut brodelte. Zwar war sein Gesicht vom Blut gereinigt, aber Hawkwood dachte noch immer daran, wie der Zorn seine Züge verzerrt hatte, als er dem Korsen die Kehle durchschnitt. Hawkwood spürte einen scharfen Schmerz in der Stirn, fast als sei diese Erinnerung zuviel gewesen.
Sein Gesicht musste ihn verraten haben, denn der Arzt sah ihn besorgt an.
»Ach, Sie hätten mal den anderen sehen sollen«, sagte Hawkwood, ohne weiter nachzudenken.
Der Arzt machte ein ernstes Gesicht. »Oh, das habe ich, Captain Hooper. Ich habe sie alle gesehen. Sie haben ziemlich viel Schaden angerichtet, Sie und Captain Lasseur.« Der Blick des Arztes wanderte von einer Pritsche zur anderen.
Hawkwood ließ sich zurückfallen. »Wie viele?«
Girard sah ihn an. »Fünf Tote, einschließlich des Jungen.«
»Fünf!« Hawkwood versuchte, sich an den Ablauf der Geschehnisse zu erinnern. Er wusste noch, dass er Matisses Mann den eisernen Reifen abgenommen hatte, aber danach wurde seine Erinnerung undeutlich. Sein Kopf brummte auch immer noch ganz fürchterlich und es war besser, sich nicht anzustrengen.
»Es hat auch zwei Verwundete gegeben, mit Schnittwunden, die Ihren ganz ähnlich sind. Ich behandle solche Wunden nicht zum ersten Mal. Rasiermesser werden auf den Gefängnisschiffen häufig als Waffen benutzt, besonders bei Meinungsverschiedenheiten. Captain Lasseur war jedoch äußerst zurückhaltend, als ich ihn danach fragte.«
Hawkwood antwortete nicht.
Der Arzt zuckte die Schultern. »Na ja, wie auch immer. Mir müssen Sie nicht Rede und Antwort dazu stehen. Ich habe Befehl von Leutnant Hellard, ihn
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