Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
hereinfiel. Es war hell genug, um zu erkennen, dass draußen noch Tageslicht herrschte, obwohl es wohl bald dämmern würde. Er sah auch, dass er sich in einem Teil des Schiffes befand, den er noch nicht kannte. Er lag auf einer Pritsche, um ihn herum standen weitere Pritschen. Soweit er sehen konnte, waren die meisten belegt. Es war zu dunkel, um zu erkennen, wer darauf lag, aber bei dem Schniefen, Husten, Keuchen und Würgen um ihn herum war es nicht schwer zu erraten.
Sein Verdacht wurde auch durch den Essiggeruch bestätigt.
Er hob den Kopf, doch schon diese kleine Bewegung genügte, um einen erneuten scharfen Schmerz auszulösen. Man hatte sein Hemd entfernt und seine Verletzungen verbunden. Der Verbandmull war mit dunklen Blutflecken bedeckt. Er war bis zur Taille mit einem nicht sehr sauberen Laken zugedeckt. Er nahm eine Bewegung wahr und sah gerade noch, wie sich drei Kakerlaken mit glänzenden Flügeldecken über den Rand seiner Pritsche aus dem Staub machten.
Sein Blick wanderte weiter, über das Fußende hinaus. Er sah eine offene Luke, die in eine kleinere und genauso schlecht beleuchtete Kajüte nebenan führte. Er sah das Ende eines Tisches und einen Stuhl, über den ein Jackenärmel hing. An der Wand standen Schränke und Regale, auf denen eine eindrucksvolle Sammlung von verkorkten, etikettierten Flaschen in verschiedenen Farben stand. Einige waren so groß wie Ginflaschen, andere sahen aus, als hätten sie früher Parfüm enthalten. Auf dem Tisch standen weitere Flaschen, daneben ein Mörser mit Stößel sowie Schreibzeug.
Aus den Geräuschen, die er ringsum vernahm, sowie dem Essiggeruch und den Gegenständen erriet Hawkwood, wo er war. Er wusste, dass man mit dem Essig das Deck schrubbte in dem vergeblichen Bemühen, den Geruch von Erbrochenem, von Urin und anderen Exkrementen zu überdecken, die die Männer um ihn herum verursachten. Er war im Krankenrevier.
»Willkommen zurück.«
Der Gruß kam von der Pritsche nebenan, die im Halbdunkel stand. Hawkwood drehte den Kopf, vorsichtig und ganz langsam.
Lasseur hatte Platzwunden und Blutergüsse im Gesicht, seine linke Schulter war verbunden. Er betrachtete Hawkwoods Verbände und sagte lakonisch: »Sieht aus, als würden wir beide weiterkämpfen, mein Freund. Wie geht es Ihnen?«
»Beschissen«, sagte Hawkwood wahrheitsgemäß, wobei er merkte, dass das Reden nicht viel weniger schmerzhaft war als der Versuch, sich aufzusetzen.
»Mir auch, aber ich habe gehört, das sei besser, als tot zu sein.« Lasseurs Gesicht sah allerdings aus, als sei er im Moment von diesen Worten nicht so recht überzeugt.
»Mir war, als hätte ich Fouchet gesehen«, sagte Hawkwood. »Oder habe ich mir das eingebildet?«
Der Kapitän antwortete nicht gleich. Er sah immer noch nachdenklich aus. Hawkwood ahnte, dass der Tod des Jungen ihn beschäftigte, und die Katastrophe, die darauf gefolgt war. Endlich nickte Lasseur. »Unser Freund hatte ein schlechtes Gewissen. Er hatte die Wachen alarmiert.«
»Ich dachte, die kämen nicht gern unter Deck.«
»Tun sie auch nicht. Sébastien musste alle Überredungskunst aufwenden.«
»Sie haben Dupin umgebracht«, sagte Hawkwood.
»Ja, sie haben ihn erschossen – das war Ihr Glück. Aber wenn Sie mich fragen, ich glaube, dass der, der geschossen hat, vielleicht nur auf eine passende Gelegenheit gewartet hatte.«
»Waren da noch andere?«
»Sie meinen, außer Lucien und dem Türken und diesem korsischen Miststück?« Lasseur verzog den Mund und deutete mit dem Kopf auf jemanden, der hinter Hawkwood stand. »Fragen Sie ihn. Er kennt den Endstand.«
Hawkwood überlegte, ob er den Kopf drehen sollte oder nicht, schließlich sah er schräg nach oben. Der Mann, der neben seinem Bett stand, war jung, er hatte einen dunklen Teint und sanfte braune Augen. Seine Zivilkleidung war stark abgetragen. Er hatte eine stark verschmutzte, einstmals weiße Schürze umgebunden und die Ärmel bis zum Ellbogen aufgekrempelt. Er sprach Englisch.
»Wie ich sehe, sind Sie wach, Captain Hooper.« Um die braunen Augen erschienen Lachfältchen. »Wir kennen uns noch nicht. Mein Name ist Girard.«
»Der Schiffsarzt?«, fragte Hawkwood.
Als Antwort schüttelte Girard energisch den Kopf und lächelte bescheiden. »Nein, jedenfalls nicht offiziell. Diese Position hat Dr. Pellow inne. Leider verlangen Dr. Pellows andere Pflichten, dass er überwiegend an Land ist, deshalb kann er uns hier nur in unregelmäßigen Abständen besuchen. In seiner
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