Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
starrem Blick. Nach einigen Sekunden, die eine Ewigkeit zu dauern schienen, schien er Hawkwoods Widerstand zu akzeptieren. Er nickte kurz und schlug knallend das Register zu. »Ich gebe zu, der Verlust des Jungen ist ein Unglück. Doch weder der Tod des Korsen noch der des Türken wird mir den Schlaf rauben, genau so wenig wie der irgendeines anderen, der in seinem Dunstkreis lebte.« Hellard machte eine Kunstpause. »Andererseits kann ich die Vorkommnisse auch nicht ignorieren.«
»Auf Duellieren steht die Todesstrafe durch den Strang«, sagte Thynne fast träge und sah Hawkwood an. »Steht in der Vorschrift.«
»In der Tat, so ist es, Leutnant«, sagte Hellard. »Vielen Dank für den Hinweis.«
Thynne wurde rot.
»Es war kein Duell«, wiederholte Lasseur hartnäckig.
»Ja, Captain, das sagten Sie bereits.« Hellard bedachte den Privateer mit einem säuerlichen Blick. »Die Verletzungen, die der Türke und Captain Hooper haben, sagen etwas anderes aus. Ganz gleich, heute sind hier Männer auf barbarische Art und Weise umgekommen, und das heißt, dass ich etwas tun muss. Das verlangt die Admiralität. Außerdem bin ich der Ansicht, dass ich ein Exempel statuieren muss, erstens als Strafe, aber auch zur Abschreckung. Jetzt, wo Matisse vor seinem Schöpfer steht, oder in seinem Falle wohl eher vor dem Teufel, müssen die Gefangenen daran erinnert werden, wer hier das Sagen hat, falls jemand den Ehrgeiz haben sollte, sich dessen Krone aufzusetzen. Sie verstehen das doch?« Hellard lehnte sich zurück.
»Was passiert mit den restlichen Männern von Matisse?«, fragte Hawkwood.
Die Atmosphäre in der Kajüte veränderte sich so schlagartig, als sei die Luft plötzlich elektrisch aufgeladen. Hellard sah seinen Kollegen an.
Thynne nahm den Finger aus dem Mund. Nach einer angemessenen Pause sagte er: »Wir werden die Bastarde aufhängen. Jeden Einzelnen von ihnen; und mögen ihre Seelen in der Hölle schmoren.« Der Leutnant ballte die Fäuste.
»Weil sie sich duelliert haben?«, fragte Lasseur. Er starrte den Commander an.
Nein, dachte Hawkwood, der die beiden beobachtete, es musste einen anderen Grund haben. Er erinnerte sich an das, was Fouchet gesagt hatte: Wenn ich Ihnen auch nur die Hälfte erzählte, würden Sie mich für verrückt erklären .
»Was hat es mit denen auf sich?«, fragte Hawkwood. In seinem Kopf fing es wieder an zu hämmern, aber eigentlich hatte es nie ganz aufgehört.
»Sagen Sie mal, Hooper«, sagte Hellard kurz, »haben Sie jemals darüber nachgedacht, was mit Ihren Leichen passiert wäre, wenn Matisses Leute Sie beide umgebracht hätten?«
»Nein, wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, am Leben zu bleiben.«
»Vielleicht erzählt Leutnant Murat Ihnen dann mal, was für ein Schicksal Sie erwartet hätte, wenn Ihnen das nicht gelungen wäre«, sagte Hellard. »Na los, Leutnant, erzählen Sie mal, was Matisse mit den Leichen der Männer gemacht hat, die sich damals mit dem Türken duelliert und verloren haben.«
Murat schluckte nervös.
»Ich denke, es wird Sie interessieren«, sagte Hellard, »ehe ich Ihnen mein Urteil verkünde.«
Hawkwood wartete.
»Sagen Sie’s uns«, sagte Lasseur.
Murat holte tief Luft. »Ja, also, es scheint, dass die übliche Methode darin bestand, die Leiche des Verlierers … zu beseitigen.«
»Wie?«, fragte Hawkwood.
»Die Leichen wurden in Stücke zerteilt und durch die Latrine ins Wasser geworfen. Auf diese Weise waren die Beweise verschwunden und der Sieger entkam dem Strang.«
Hawkwood und Lasseur starrten den Dolmetscher ungläubig an.
Hellard, der Hawkwoods und Lasseurs Reaktion sah, sagte: »Na los, weiter, jetzt erzählen Sie auch noch den Rest.«
Murat wurde blass.
»Was meint er?«, fragte Lasseur.
»Es gab noch eine andere Methode.« Der Dolmetscher warf Hellard einen flehenden Blick zu, doch der beantwortete ihn mit eisernem Schweigen.
»Sarazin sagte, soweit er weiß, ist es einmal passiert. Er sagte, er habe davon gehört, als er in Portsmouth war …« Murat zögerte, seine Stimme war unsicher.
»Ja?«, sagte Lasseur.
»Er sagte, einmal war die Leiche zerlegt, aber nicht ins Meer geworfen worden. Sarazin sagte, das Fleisch wurde ganz zerschnitten und die Rafalés bekamen es zu essen.«
Lasseur war blass geworden. Entsetzt sah er Hellard an. »Ist das wahr?«
Hellard zuckte die Schultern. »Vielleicht ist es nur eine Geschichte, und der Kerl versuchte, seine eigene Haut zu retten, indem er seine Kameraden anschwärzte. Er
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