Das höllische Ich
Engelsmotiven hingen. Da machte auch der Flur keine Ausnahme, und genau diese Bilder hatte es erwischt.
Man hätte damit rechnen können, dass sie alle entflammt waren, doch sie brannten nicht direkt, sondern kokelten nur.
Es war ein Phänomen, das uns für einen Moment den Atem verschlug. Jedes Bild, das seinen besonderen Platz an der Wand erhalten hatte, fing an zu kokeln und war deshalb dabei, sich zu verfärben.
Die Helligkeit der Farben, die Leichtigkeit der Pinselstriche, das alles blieb nicht mehr bestehen. Ein inneres Feuer sorgte für diese Veränderung. Wir standen da und sahen zunächst ein, dass wir nichts unternehmen konnten.
In meiner Nähe hing ein Bild. Ich drehte den Kopf nach links. Eine große Engelsfigur bildete den Mittelpunkt. Mit breiten, hellen Flügeln schwang sich die Gestalt aus den Höhen herab auf die Erde, die Hände wie segnend ausgestreckt.
Der Engel war nicht mehr hell. Er verbrannte, ohne dass es Feuer gab. Es begann in seinem Gesicht. Es nahm eine graue Farbe an. Zugleich veränderte sich auch das helle, golden wirkende Haar. Es ergraute an den Spitzen, und dieses Grau setzte sich fort bis zu seinem Kopf. Auf dem Weg dorthin wurden die Haare plötzlich kohlrabenschwarz.
Das Gleiche passierte mit dem Gesicht. Die feinen Züge verschwanden. Dafür blieb etwas Graues zurück, das sich zusammenzog, sodass Knitterfalten entstanden.
Der beißende Geruch umwehte meine Nase, ohne dass wir Rauch oder Qualm sahen.
Ich ging wieder zurück in das Wohnzimmer und blieb bereits dicht hinter der Schwelle stehen. Von einem Bild des Grauens konnte ich nicht sprechen, aber was ich da zu sehen bekam, das war schon phänomenal. Kein einziges Bild war verschont worden. Jedes Motiv, ob kitschig oder im Volksglauben eingebunden, musste der anderen Macht Tribut zollen, die wir nicht zu Gesicht bekamen. Ich blieb lediglich ein Zuschauer der verbrennenden Bilder.
Es war schon ungewöhnlich, dies mit anzusehen. Sie kokelten vor sich hin, sandten auch weiterhin keinen Rauch ab und verzogen sich dabei. Die Blätter kräuselten sich ebenso zusammen wie die Motive. Aus den Gestalten wurden Fratzen, die sogar eine gewisse Bösartigkeit abstrahlten. Manchmal war sogar ein leises Knistern zu hören, wenn sich das Papier zusammenzog.
Kein Rauch, kein Feuer! Trotzdem wurden die Bilder zerstört, und wir konnten nichts tun. Wir schauten machtlos zu, wie sich das Papier löste und als knisternder Rest zurückblieb, von dem sogar ein Teil zu Boden rieselte.
Mir hatte es die Sprache verschlagen. Ich konnte mich nicht dazu überwinden, das Zimmer zu verlassen. Irgendwie wartete ich nur darauf, dass der Brand übergreifen würde, um alles andere ebenfalls zu erfassen, sodass schließlich die gesamte Wohnung in Flammen stand.
Doch dazu kam es nicht, es blieb bei diesem einen Angriff. Die andere Seite wollte nur die Bilder zerstören.
Der Rauchgeruch hatte sich nicht verstärkt. Er war normal geblieben, was mir natürlich entgegenkam. Ich musste nicht mal das Fenster öffnen. Nur im Hals bemerkte ich ein leichtes Kratzen.
Trotzdem zog ich das Fenster auf und war froh, die frische Luft atmen zu können. Wenn ich den Blick senkte, lag der Vorgarten unter mir. Ich entdeckte dort keine Veränderung. Da verkohlte nichts, ich sah kein Feuer und auch keinen unheimlichen Angreifer durch das Gelände schleichen. Ich zog mich wieder zurück.
Suko hatte die Wohnung noch mal durchsucht und konnte auch keine Neuigkeiten melden. »Es sind nur die Bilder verbrannt, sonst nichts.«
»Klar. Da scheint es eine Kraft zu geben, die nur das vorhat, um irgendwelche Spuren zu löschen.« Ich schüttelte den Kopf. »Wieso? Warum? Weshalb?«
»Es gibt jemand, der die Engel hasst.«
»Scheint so. Nur wer?«
Suko hob die Schultern.
»Auch ein Engel?«, schlug ich vor.
»In dem Fall würden Engel gegen Engel kämpfen, sollte deine Annahme stimmen.«
»So weit hergeholt ist sie nicht. Wer ist denn in Lou Ganzaro eingedrungen? Wir haben keinen Namen für dieses Schattenwesen, und deshalb könnte es ebenso gut ein Engel gewesen sein. So zumindest sehe ich die Dinge. Ich würde darauf keinen Eid ablegen, aber solange man mir keine bessere Möglichkeit präsentiert, bleibe ich dabei. Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, Suko, aber so falsch kann ich doch nicht liegen.«
»Die Gegenmacht ist die Hölle.«
»Genau.«
»Der Teufel!«
Ich lächelte. »Wie du willst.«
»Das bringt mich auf die nächste Frage. Hat der Teufel auch
Weitere Kostenlose Bücher