Das höllische Ich
Engel? Befinden sie sich in seiner Umgebung? Oder ist das alles Unsinn, was ich da gesagt habe?«
»Keine Ahnung«, erwiderte ich. »Es ist nur schwer vorstellbar, dass der Teufel von Engeln umgeben sein soll. Das bekomme ich irgendwie nicht in die Reihe.«
»Man kann ja auch einen anderen Ausdruck dafür nehmen. Kreaturen, Dämonen, die dann gegen Engel kämpfen...«
»Und gegen Menschen.«
»Inklusive.« Suko nickte.
Es war schwer, eine Antwort zu finden. Jedenfalls würden wir sie hier nicht erhalten, das stand fest. Deshalb hatten wir in dieser Wohnung nichts mehr zu suchen.
Der Ansicht war auch Suko. »Da ist ja noch diese seltsame Vereinigung«, sagte er, »die Union der Schutzengel. Ich weiß nicht, was ich von dem Namen halten soll, aber interessieren würde es mich schon, was die Mitglieder so treiben.«
»Ganzaro hat der Union angehört. Ich gehe sogar davon aus, dass sie lautere Absichten haben.«
»Meinst du wirklich?«
»Ja, erinnere dich an Ganzaro’s Verhalten«, bat ich. »Seine Reue war echt. Er hat getötet und sich anschließend widerstandslos festnehmen lassen. So etwas macht nur jemand, der von seiner Tat völlig überrascht ist und sich nicht selbst helfen kann, weil er sich überfordert fühlt.«
»Klar, er stand unter einem anderen Einfluss, als er die beiden Taten verübte.«
»Und wer hat diesen Einfluss ausgeübt?«
»Unser Puzzle-Freund«, antwortete Suko das Offensichtliche.
»Eben.«
Wir drehten uns im Kreis, und das war verdammt
96 tragisch. Es gab nichts, das wir hätten greifen können. Lou Ganzaro konnte uns nichts mehr sagen, also mussten wir eine andere Spur aufnehmen, wobei wir nur hoffen konnten, dass sie sich auch als eine solche herausstellte und wir nicht wieder ins Leere griffen.
»Lass uns gehen«, schlug ich vor.
Suko grinste. »Wurde auch Zeit. Ich liebe die frische Luft, und außerdem bin ich auf diese Kirche oder den Tempel gespannt. Mal sehen, wen wir da vorfinden.«
Mit einigen Schritten hatten wir den Flur durchquert. Ich öffnete die Wohnungstür – und zuckte zurück, weil direkt davor eine fremde Gestalt stand.
Was mir im ersten Augenblick durch den Kopf schoss, wusste ich nicht. Wahrscheinlich nichts. Ich war dermaßen überrascht, dass ich einfach nur zurückzuckte und dabei gegen Suko prallte, der zu dicht hinter mir stand.
»Entschuldigung, wenn ich Sie erschreckt habe«, sagte der Fremde. »Das lag nicht in meiner Absicht.«
»Schon gut.« Ich hatte mich wieder gefangen und schaute mir den Besucher genauer an.
Er passte zu dem, was hinter uns lag. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich dachte an die Einrichtung der Wohnung, die in Weiß gehalten wurde. Und genau diese helle weiße Kleidung trug auch der Mann, der vor uns stand.
Allerdings war sein Körper nicht in ein Gewand gehüllt, was mich inzwischen auch nicht mehr gewundert hätte. Er war mit einem hellen Anzug bekleidet, und mit einem ebenfalls hellen Hemd, wobei der Stoff des Anzugs mit goldenen Fäden durchzogen war. An seinen Füßen sah ich helle Schuhe, und natürlich passten sich auch die Socken an. Sein Gesicht konnte man als markant und recht männlich beschreiben. Die grauen Haare waren nach hinten gekämmt und dort zusammengebunden worden. Was mir noch auffiel, waren die hellen und sehr klaren Augen, die mich betrachteten, wobei ich kein Misstrauen in diesem Blick las. Der Mann schien sogar Vertrauen in mich zu haben, und darauf deutete auch sein Lächeln hin.
»Pardon, aber kann es sein, dass ich mich in der Etage geirrt habe?« Seine Stimme besaß einen besonderen Klang, kräftig und wohl tönend.
»Zum wem wollten Sie denn?«
»Ein Freund lebt hier, den ich besuchen möchte: Lou Ganzaro.«
»Tut mir Leid, aber da sind Sie zu spät eingetroffen?«
»Warum?«
Ich hatte eine ähnliche Frage erwartet. Sie wäre auch normal gewesen. Es war nur seltsam, dass ich ihm in diesem Fall einfach nicht so recht glaubte. Ich hatte eher den Eindruck, dass ihm die Wahrheit schon bekannt war und er mich auf die Probe stellen wollte.
»Wer will das wissen?«, fragte ich.
»Ich bin Bruder Ruben.«
Ich überlegte blitzschnell, doch der Name sagte mir nichts, deshalb hob ich die Schultern.
»Ein guter Freund von Lou«, setzte er nach.
»Ja, das denke ich mir. Aber wollen Sie nicht eintreten?«
»Ja, natürlich.« Er lächelte mich an. »Nur möchte ich zuvor gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe. Ich kenne Sie leider nicht und habe Sie auch noch nie bei Lou
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