Das höllische Ich
Fliesen an den Wänden und auf die Steine am Boden zurückzuführen. Auch der Geruch ließ sich ertragen. Alles wirkte sehr sauber, und ich konnte mir vorstellen, dass die Wohnungen hier nicht gerade preiswert waren.
Danach zu forschen, wie Lou Ganzaro die Miete hatte bezahlen können, war unnötig geworden. Wir hatten eine andere Spur bekommen, und wir gingen beide davon aus, dass uns die Union der Schutzengel zum Ziel führen würde.
Aber war diese aus Puzzlestücken gebildete Schattengestalt tatsächlich ein Schutzengel gewesen? Und dann auch noch Ganzaro’s Schutzengel?
Ich hatte durchaus Probleme, das zu glauben. Schließlich hätte das die Funktion des Schutzengels einfach ad absurdum geführt. Er sollte schützen und nicht töten. Und er sollte die Person auch nicht zum Killer machen, was in diesem Fall leider eingetreten war.
»Du bist auch schon mal besser gewesen«, meckerte ich.
»Stimmt. Da hatte ich auch keinen Zuschauer.« Suko stand gebückt vor dem Schloss. »Aber keine Sorge, ich werde es gleich haben. Wäre doch gelacht, wenn ich es nicht schaffen würde.«
»Eben.«
Zu beklagen brauchte ich mich nicht mehr. Als ich im nächsten Moment das leise Knacken hörte, war schon alles vorbei. Wir konnten die Tür nach innen drücken und eintreten.
Suko ging voran. Ebenso wie er wurde auch ich von einer tiefen Stille empfangen. Es gab kein Geräusch. Es lief oder tropfte kein Wasserhahn. Es spielte kein Radio, und wir blieben in einem kurzen, aber recht breiten Flur stehen, nachdem ich die Tür wieder geschlossen hatte.
Jeder Mensch wird wohl von einem unguten Gefühl erfasst, wenn er eine fremde leere Wohnung betritt – es sei denn, es handelte sich um einen Einbrecher...
Ich drehte mich einige Male um die eigene Achse und ließ meine Blicke dabei über die hellen Wände gleiten. Schon im Eingangsbereich war zu sehen, welches Hobby der Mieter besaß.
Engel und Heilige!
An den Wänden hingen die entsprechenden Bilder in unterschiedlicher Größe. Manche schwarzweiß, manche auch sehr farbig. Einige waren in einen Rahmen gestellt worden, andere wiederum hingen einfach nur als lose Blätter an der Wand.
Dieser Flur war so etwas wie ein Zentrum der Wohnung. Es zweigten zwei Türen ab, die sich gegenüberlagen. Rechts und links.
»Welche Seite willst du?«, fragte ich.
»Die linke.«
»Okay.«
Suko ging nicht, weil er mich noch auf etwas aufmerksam machen wollte. Er tat es, indem er den Kopf in den Nacken legte, gegen die Decke schaute und durch die Nase die Luft einsaugte. »Riechst du nichts, John?«
»Nicht mal dein Rasierwasser.«
»Dann habe ich mich getäuscht.«
»An was hast du denn gedacht?«, erkundigte ich mich.
»Ich habe den Eindruck, als würde es hier sehr frisch riechen. Noch mit irgendeinem Duft versetzt, den jemand gesprayt oder hinterlassen hat.«
»Kann schon sein.«
»Okay, dann schauen wir uns mal um.«
Wir trennten uns. Ich öffnete die rechte Tür und betrat einen Wohnraum, den ich mir eigentlich größer vorgestellt hatte. Wahrscheinlich war er das früher auch mal gewesen, jetzt aber hatte man eine Querwand gezogen und die Mitte durch eine Schiebetür geteilt.
Sie stand zur Hälfte offen. Ich ging hindurch und stand in einer Küche. Sie nahm die gesamte Breite des hinter mir liegenden Raumes ein. Durch das Fenster fiel der Blick auf die Straße, und über den Rand der Gewächse hinweg entdeckte ich die Mütze des uniformierten Kollegen, der tatsächlich vor dem Haus Wache hielt.
Auch hier fiel die Sauberkeit auf. Wo Stahl und Chrom angebracht worden waren, glänzte es. Kein Geschirr stand innerhalb oder dicht außerhalb der Spüle. Alles war eingeräumt worden und in den Schränken verschwunden, die Glastüren aufwiesen.
Hier hätte sich jeder Koch wohl fühlen können, ich aber suchte etwas anderes. Was es genau war, konnte ich schlecht sagen. Jeder Mensch hinterlässt Spuren, wenn er einem besonderen Hobby nachgeht oder bestimmte Interessen pflegt. Ich ging mal davon aus, dass es bei Lou Ganzaro nicht anders gewesen war.
Der Wohnraum besaß zwei Fenster an der längeren Breitseite. Auch durch die konnte ich wieder in Richtung Straße schauen, die mich in diesem Fall nicht interessierte, denn was hier im Wohnzimmer stand, war wichtiger.
Zunächst einmal fielen mir zwei Farben auf. Weiß und gelb. Weiße Möbel, wie die luftige Schrankwand, und mit einem gelben Stoff war die Couch überzogen worden. Zwei Doppelsitzer standen sich gegenüber. Zwischen ihnen
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