Das Hohe Haus
Ehrenamtes«, das die SPD gerne »Gesetz zur Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements« genannt hätte, aber in diesem Punkt war die Regierungskoalition »nicht kompromissbereit«. Was stört sie mehr: das Bürgerschaftliche oder das Engagement? Immerhin gibt es bürgerschaftliches Engagement auch, wo es nicht an ein Ehrenamt gebunden ist. Petra Hinz ( SPD ) ist deshalb zwar froh, dass heute »über 23 Millionen Menschen und ihr ehrenamtliches Engagement« debattiert wird. Dass es sich dabei aber nicht um eine Großherzigkeit des Parlaments und eine kleinliche Begriffsklauberei um Engagement und Ehrenamt handelt, wird schnell offenbar. Schließlich, so die Regierungskoalition unverblümt, gehe es ihr darum, sich »in Zeiten knapper öffentlicher Kassen« und der damit verbundenen »unumgänglichen Haushaltskonsolidierung auf ihre unabweisbar notwendigen Aufgaben« zu konzentrieren. Deutlicher gesagt: Zieht man die unbezahlten Tätigkeiten ins Kalkül, lassen sich die Staatsaufwendungen reduzieren.
Was dergleichen für das Kulturleben bedeuten kann, verdeutlicht Barbara Höll ( DIE LINKE ) an einem Beispiel: Da die Museen immer weniger Geld haben, um Kunstwerke zu erwerben, springen zunehmend Privatiers ein. »Welche Kunstwerke erworben werden, hängt dann vom Geschmack des Stifters oder der Stifterin ab.« Womit sich die Arbeit von Kuratoren, etwa an Sammlungen und Museumskonzepten, erübrige.
Im Grunde geht es in der Debatte um die Instrumentalisierung des bürgerschaftlichen Engagements, also um die Umwertung seines Begriffs. Aus einer Entbürokratisierungsabsicht entstanden, kommt sie zwar nicht ohne einen hohen Aufwand an Termini wie »Übungsleiterpauschale«, »Rechtssicherheit«, »Abgabenordnung«, »Ehrenamtsfreibetrag« und »Haftungsrisiko« aus, höhlt aber eigentlich den selbstlosen Kern des bürgerschaftlichen Engagements aus.
Die Auseinandersetzung findet in gereizter Atmosphäre statt und wird harsch geführt. Manchmal erkennt man die Verwerfungen der Ausschussarbeit an den bösen Tönen der Parlamentsdebatte. Selbst auf diesem Nebenschauplatz muss klargemacht werden, dass nicht einmal eine Petitesse gegen die Regierungsmehrheit durchsetzbar ist. »Das ist schlechter politischer Stil«, schimpft Ute Kumpf ( SPD ), »denn es war immer Konsens im Haus, dass wir Initiativen zum Thema ›bürgerschaftliches Engagement‹ über die Parteigrenzen hinweg ergriffen, mitgetragen und gemeinsam entschieden haben.«
Unterdessen huldigt der Redner den jungen Gesichtern auf der Tribüne. Man kann sich aber bei dieser Generation gar nicht so weit anbiedern, als dass sie nicht bemerkte, wo eine freiwillige Arbeit verzweckt wird. Insofern wirft Klaus Riegert ( CDU / CSU ) später einen Satz mit geradezu anarchischem Potential in die Debatte, als er den amerikanischen Soziologen Richard Sennett zitiert: »Ein Staatswesen, das Menschen keinen tiefen Grund gibt, sich umeinander zu kümmern, kann seine Legitimität nicht lange aufrechterhalten.« Die Schlussfolgerung wäre nämlich: Ein Staatswesen, das noch das gemeinnützige Engagement instrumentalisiert, entzieht seinen Bürgern den Wert der Gemeinnützigkeit und eröffnet die Frage nach dem wahren »Kernbestand an gemeinsam geteilten Werten und Überzeugungen« der Demokratie.
Dass in Deutschland Fragen der Rentabilität, der Wirtschaftlichkeit so fraglos in jede Debatte eingeführt werden können, hat auch historische Gründe. Die BRD konnte sich nach dem Nationalsozialismus nicht politisch neu gründen, sie tat es ökonomisch: in der Einführung der D-Mark, der sozialen Marktwirtschaft, im Wirtschaftswunder. Man könnte auch sagen: Entstanden aus einer Staatsphobie, hat sich die Republik in der Bundesbank ein Modell gegeben, das für die Welt taugte. Vielleicht ist auch hierin die Unangefochtenheit der ökonomischen Entscheidungen begründet, die in Deutschland weit stärker ausgeprägt ist als beispielsweise in Frankreich oder England. Gegen Margaret Thatchers soziale Einschnitte haben ehemals selbst Wirtschaftsverbände protestiert, weil sie der Ansicht waren, diese schadeten der Produktion.
So berührt das Parlament dauernd seine eigenen Voraussetzungen und steht mit vielen seiner Debatten selbst zur Diskussion, aber nicht als Form, sondern im oft scheiternden Versuch, dieser Form gerecht zu werden. Dies geschieht in der Folge gleich mehrfach: als die Debatte um ein NPD -Verbot eine hohe und nachdenkliche Differenzierung von Argumenten auch bei
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