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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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Besucherebene, dann dem Garderobenpersonal, der Reinigungskraft auf den Toiletten, den Wächtern an der Tür, den parlamentarischen Assistenten, den Nachbarn auf der harten Bank der Tribüne. Kunstlicht brennt immer, aber es könnte nicht sonnenheller im Saal sein. In den Spiegelflächen der Kuppelverstrebungen sind sogar Mauerstücke der Außenwände zu erkennen. Auf der Tribüne sitzen zwei Reihen Mädchen in Tracht, sitzen da wie die Weinköniginnen. Einige haben sogar Diademe im Haar, rote Röcke, grüne Schürzen, weiße Rüschenblusen. Unter den Jungen sind vor allem solche, die Kniebundhosen tragen und dazu Turnschuhe.
    Der Präsident beherrscht die Kunst des würdevollen Schlenderns. So erreicht Lammert seinen Platz, ein guter Hirte. Sein Blick sagt: Da seid Ihr wieder! Das Wort hat die Ministerin Johanna Wanka. Sie erläutert den »Berufsbildungsbericht«, »das Programm, das ich ganz klasse finde …«. Mit der Stimme einer Nachrichtensprecherin spricht sie flüssig und konziliant, doch den Fragenden der Opposition antwortet sie konziliant – nicht. Dennoch besitzt sie eine eigene Vornehmheit, die sich in der Diktion zeigt, im Habitus: Sie kann nicht anders, als Dame zu sein, und ist es auf schlagfertige Weise.
    Zwei Schlipsträger auf der Tribüne kauen synchron ihre Fingernägel. Dem Fragenden aus der eigenen Partei ist Wanka dankbar für seine Frage. Beantwortet wird sie trotzdem nicht. Unsicherheiten in ihrer Diktion korrigiert sie durch nachdrückliche Gestik. Ihre rechte Hand pointiert manchmal Silbe für Silbe: »alle zusammenarbeiten«, »breite Basis«, »ist die Wirtschaft gefragt«. Die Konsensvokabeln klingeln. Auch liebt sie Verstärkungen wie »sehr, sehr«, »ganz, ganz wichtig«, »das heißt«. Mit dem Charme der Direktorin, die heute einen guten Tag hat, überzieht sie, wird ermahnt, lacht. Der Präsident verweist auf die Uhr. »Ich könnte ein schönes Beispiel nennen«, bietet sie an. »Nein, nein, nächstes Mal«, fleht Lammert.
    Manchmal ist die Handlung am Pult reduziert. Sie hat zwar das akustische Vorrecht, die eigentliche Handlung aber ballt sich oft zwischen den Tribünen und ihren Migrationen, den Kleingruppen im Plenum, den Rudeln um einzelne Sitze, den Fanblöcken und ihren Bewegungen. Im Augenblick ist die Stimmung phlegmatisch, niemand greift an. Manchmal ploppt die Stimme der Rednerin am Mikrophon, das Aggressionspotential aber hat sich erschöpft.
    Beim nächsten Thema dieser Fragestunde geht es um die Einhaltung der Zusagen auf der Internationalen Klimakonferenz bei gleichzeitigen Kürzungen des »Energie- und Klimafonds«. Diese langfristigen Fragen sind gleichwohl drängend. Verhandelt aber wird in stoischer Gelassenheit. Die Regierung sagt auch, man »habe Hoffnungen«. Die auskunftgebende Vertreterin des Bundesumweltministeriums steht an ihrem Platz mit reglos hängenden Händen. Nur in der Taille bewegt sie sich nach rechts oder links, ihre Antworten kommen näselnd. Weit entfernt von den Sachverhalten regnen ihre Aussagen ab. Angela Merkel wird zitiert, und alle beugen sich wie die Exegeten einer frühchristlichen Runenschrift über etwas, das »Das Buch Angela« ist.
    Das Rednerpult steht verwaist. Die Fragenden erheben sich, die Antwortenden auf der Regierungsbank tun es auch. Wenn die Mikrophone wieder heruntergeschoben werden, machen sie das Geräusch einer Tür in einem Edgar-Wallace-Film. Nach dem Empfang der Antwort setzen sich die Fragesteller wieder hin und schütteln, zum Sitznachbarn gewandt, den Kopf, um zu verbildlichen, wie unbefriedigt sie die Antwort lässt. Dies ist gewissermaßen die zu Protokoll gegebene Missbilligung der Auskunft.
    Eine schwergewichtige Rothaarige im blauen T-Shirt hat sich zurückgelehnt und schläft auf der Tribüne. Die Regierung referiert unterdessen, wie zufrieden sie mit der Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes ist. Nein, das kann keine Regierung sein. Die Opposition hält prompt andere, schlechtere Zahlen der Emissionswerte dagegen. Die Standarten der Statistiken sind umkämpft. Offenbar hat man erst Ziele formuliert, anschließend muss beraten werden, wie sie erreichbar sein sollen, also erst ob, dann wie, dann wann. International sollen diese Ziele erst 2030 erreicht werden, national schon 2020 .
    Es ist auch eine Schwangere unter den Zuschauern. Mit der Besorgnis einer Mutter schaut sie, die in die Zukunft des Ungeborenen blickt, lacht zu keinem Scherz, schüttelt bloß den Kopf.
    Wie schützt man

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