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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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Mineralwasserquellen, die nicht im Wasserschutzgebiet liegen, will ein Fragesteller wissen. Die Staatssekretärin nimmt einen Schluck, während die Frage läuft. Ihre Antwort braucht weniger Zeit als der Schluck, um die Speiseröhre zu passieren. Es geht um die Frage, wie sauber künftig das Wasser bleibt. Knapp wird auch das beantwortet. Der hinter mir Sitzende teilt seinem Nachbarn glücklich mit, er sei doch tatsächlich gerade kurz eingenickt. Rechtzeitig erfährt er, ein »runder Tisch Meeresmüll« ist geplant. Der Rest wird in einem Meer aus Bürokratie-Deutsch verklappt.

Donnerstag, 16 . Mai, 9  Uhr  01
    Der kroatische Taxifahrer, der mich heute zum Reichstag fuhr, irrte sich zweimal im Weg, überquerte dann seelenruhig eine rote Ampel. »Ich träume. Entschuldigen Sie. Meine Frau hat mir heute von daheim die ganze Nacht SMS e geschrieben. Du bist mein Schatz, solche Sachen, mein Herz, mein lieber Mann. Dann zehn Minuten später schon wieder: Wie ich dich vermisse, mein Herz! Das geht doch nicht. Ich sitze doch den ganzen Tag im Auto, ich muss doch schlafen. Jetzt kann ich mich kaum noch konzentrieren.« Er klagt, dass ihm die Liebe sein Arbeitsleben vermassele. Berlin liegt in einem 28 -Grad-Frühsommer. An der Sperre vor dem Fuhrpark muss ich heute alle Ausweise vorzeigen, Presse- und Personalausweis und Akkreditierung. Ein Wunder, dass ich für die Überquerung des Parkplatzes nicht gefilzt werde.
    Jede und jeder auf der Regierungsbank hat heute eine eigene Notierung an der Börse der Meinungsumfragen. Verteidigungsminister de Maizière beginnt seine Rede mit der Erinnerung an einen Gefallenen in Afghanistan. Doch jeder denkt an die fünfhundert Millionen Euro, die er mit dem verunglückten Drohnen-Projekt vergeudet hat. Von Kristina Schröder hört man, dass sie nicht nur amtsmüde, sondern sogar willig sei, noch vor der Wahl das Kabinett zu verlassen. Die Umfragen sagen hämisch: Soll sie. Dirk Niebel verteidigt sich immer noch gegen den Vorwurf, Parteimitglieder in sichere Positionen seines Ministeriums zu hieven. Ilse Aigner hat es mit der Europäischen Saatgutverordnung zu tun und muss für die heimischen Arten kämpfen. Philipp Rösler kämpft mit »Schlingel-Bonus« und nennt Trittin einen »bösen Räuber Hotzenplotz«. Von der Leyen muss offen dementieren, als Nachfolgerin von Angela Merkel zur Verfügung zu stehen. Diese wird nebenbei beschuldigt, für die FDJ Propagandaarbeit gemacht zu haben.
    Beim Hereinkommen sieht man gut, wer sich grußlos aneinander vorbeischlängelt, wer mit dem Arm wen aus dem Weg schiebt, wer sich kollegial, wer respektvoll, freundschaftlich oder komplizisch begrüßt. Zuerst die Nachrufe. In den Schweigeminuten hört man das Summen der Lampen in der Decke. Die Zuspätkommenden warten pietätvoll in den Fluren. Heute sind sie wieder alle da, die Kanzlerin in Eierschalengelb, Ilse Aigner in Schlammfarbe, die FDP -Herren geschlossen in anthrazitfarbenen Anzügen. Die Fotokameras schießen aus der ersten Tribünenreihe.
    Am Anfang jeder Sitzung sind die Abgeordneten immer noch bei der Sache, dann allmählich werden die Accessoires hervorgebracht, synchron zur Entstehung der Langeweile, und ich frage mich, wo repräsentiert mich selbst das Hohe Haus? Haben am Ende vielleicht alle gleich recht? Ich nenne es das »Hohe Haus« mit schwankenden Amplituden, weil es mir manchmal prachtvoll erscheint, weil es einfach wunderbar ist, einem repräsentativen Kollektiv beim Wägen von Wichtigkeiten zu folgen. Im nächsten Augenblick aber bin ich abgestoßen von dem Bodensatz, der aufgewirbelt wird, wo niedrigste Beweggründe unterstellt werden und jede höhere Idee brüskiert, gekränkt, wenn nicht verraten wird.
    Als Thomas de Maizière sein Amt als Verteidigungsminister antrat und gefragt wurde, was nun neu sei in Afghanistan, erwiderte er: »Neu ist, wir haben eine Strategie« – nach acht Jahren Einsatz eine Strategie! Des Ministers »Regierungserklärung zur Neuausrichtung der Bundeswehr« kommt nun wie Reklame abermals mit dem Attribut »neu« daher und ist eine einzige Werberede für die Truppe. Es scheint, als seien die Soldaten die Einzigen, die ihr Leben riskierten, nicht Polizisten, nicht Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oder Aufbauhelfer. Auch handelt es sich um die gewohnt pauschale Vereinnahmung aller Stimmen der Bundeswehr durch den Minister, der sich gegen Revisionen verwahrt, Moral beschwört, einen Redetypus pflegt, der Zuspruch erzwingt.
    Kaum hat der

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