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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Fremder in einem fremden Land gewesen und halte mich eigentlich für sehr anpassungsfähig. Aber alle Anpassungsfähigkeit nützt nichts, wenn man nicht mit dem Herzen dabei ist. Das habe ich jetzt eingesehen, und Rina weiß es ebenfalls.«
    »Manchmal denke ich auch an Gott«, sagte Marge.
    »Ja?«
    »Ja, ich denke darüber nach, wie groß wohl sein Schwanz ist.«
    Decker mußte lachen.
    »Er hat bestimmt einen ziemlichen Apparillo«, sagte sie.
    »Das ist ja Gotteslästerung.«
    »Stimmt«, gab sie ungerührt zu. »Ich bin als Episkopalin aufgewachsen, aber ich bin seit Jahr und Tag in keiner Kirche mehr gewesen. Ich glaube überhaupt nicht mehr an Gott. Aber es kommt schon mal vor, daß ich, wenn ich allein im Bett liege – was ja nicht allzuoft vorkommt –, ins Grübeln gerate und mich frage, ob ich mich nicht vielleicht doch irre. Was wäre, wenn an dem ganzen Quatsch, den sie mir in der Sonntagsschule eingetrichtert haben, doch etwas dran wäre? Dann gruselt es mir direkt. Rina macht es schon ganz richtig«, fuhr Marge fort. »Trotz der ganzen Vorschriften. Wenn sie unrecht hat und da oben ist keiner, wird sie nie etwas davon erfahren, weil sie dann ja sowieso tot ist. Aber wenn sie recht haben sollte … Mann, dann hat sie einen Volltreffer gelandet.«
     
    »Kommen Sie noch auf einen Schlummertrunk mit rein?« fragte Hennon und knipste in ihrem Apartment das Licht an.
    »Gern«, sagte Decker.
    Sie hatte eine gemütliche Wohnung, ganz in gedeckten Farben gehalten, mit einem kuscheligen Sofa und vielen üppigen Pflanzen in Terracottatöpfen.
    »Nehmen Sie Platz«, sagte Hennon. »Was darf ich Ihnen anbieten?«
    »Ein Kaffee wäre schön«, antwortete Decker.
    Sie verschwand in der Küche.
    Er zog sich die Jacke aus, schnallte das Holster ab und reckte sich. Dann ging er ins Badezimmer. Als er nach ein paar Minuten wieder herauskam, zielte Annie mit seinem Revolver auf einen Blumentopf.
    »Was machen Sie denn da?« fragte er gereizt.
    Sie ließ die Waffe sinken.
    »Ich wollte nur mal sehen, wie man sich mit so einem Ding in der Hand fühlt.« Sie lächelte. »Wahnsinn, man kommt sich unbesiegbar vor.«
    Decker lächelte nicht. Vorsichtig nahm er ihr den .38er ab.
    »Der Revolver ist geladen, Annie. Sie sollten nicht mit einer geladenen Waffe herumspielen«, sagte er und steckte sie wieder in sein Schulterholster.
    »Tut mir leid«, sagte sie achselzuckend. »Der Kaffee ist fertig.«
    Gereizt ließ er sich in einen ihrer braunen Sessel sinken. Sie hatte nicht nur eine Dummheit begangen, sie hatte sich auch an seinem Eigentum vergriffen.
    Annie holte das Tablett aus der Küche und stellte es auf den Couchtisch.
    »Sahne oder Zucker?« fragte sie.
    »Schwarz.«
    »Ach, ja«, sagte sie. Nachdem sie Decker eine Tasse gegeben hatte, nahm sie ihm gegenüber auf der anderen Seite des Tisches Platz.
    »Benutzen Sie Ihre Waffe oft?« fragte sie.
    »So selten wie möglich.«
    »Sie verleiht einem schon ein Gefühl von Macht, nicht wahr?«
    »Eigentlich nicht.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Könnten wir vielleicht das Thema wechseln?«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Aber sicher. Was war der merkwürdigste Fall, an dem Sie je gearbeitet haben?«
    »Ich will nicht unhöflich sein, Annie, aber ich möchte nicht über meine Arbeit reden. Wenn Sie sich über Zahnmedizin unterhalten wollen …«
    »Um Gottes willen.«
    »Dann verstehen Sie …«
    »Ja, aber meine Arbeit ist auch so verdammt langweilig.«
    »Genau wie meine. Das können Sie mir glauben.«
    »Der Fall mit den verkohlten Leichen ist langweilig?«
    »Der Fall mit den verkohlten Leichen ist frustrierend!« Er steckte sich eine Zigarette an. »Haben Sie vielleicht einen Aschenbecher?«
    »Leider nein. Ich bin gegen Zigarettenrauch allergisch.«
    »Warum haben Sie im Restaurant nichts davon gesagt?«
    »Ich wollte höflich sein.«
    Decker starrte in den Rauch.
    »Wo soll ich jetzt mit der Zigarette hin?«
    »Werfen Sie sie in den Ausguß.«
    Er stand auf und brachte die Zigarette in die Küche.
    »Was ist denn nun aus Ihrer Freundin geworden?« fragte sie.
    »Darüber möchte ich auch nicht sprechen.« Er trank einen Schluck Kaffee. »Sie laufen also gerne Ski und spielen Tennis.«
    »Das Thema haben wir doch schon beim Essen erschöpfend behandelt, Pete.«
    Decker lächelte.
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Und dabei haben Sie fast ausschließlich mir das Reden überlassen.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Langsam finde ich es ein bißchen öde, mir selbst

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