Das Hohelied des Todes
ich höre, sollen Sie auch an Filmproduktionen ganz hübsch verdient haben.«
Cameron räusperte sich. »Wir haben tatsächlich einige sehr schöne Erfolge im Filmgeschäft gehabt …«
»Aber in die Branche investieren wir mittlerweile nur noch, wenn sich ein äußerst spektakuläres Angebot auftut«, fiel Pode ihm ins Wort. »Das Filmgeschäft ist zu riskant, weil die Budgets zu aufgebläht sind und der Geschmack des Publikums zu unberechenbar ist. Und was noch wichtiger ist, die neuen Steuergesetze haben die Abschreibungsmöglichkeiten auf ein Minimum reduziert. Früher konnte man nicht nur die Gesamtsumme der eingebrachten Erstinvestition geltend machen, sondern darüber hinaus auch noch …«
»Ich bin überzeugt, Mr. Cohen möchte sich nicht mit solchen Einzelheiten aufhalten«, unterbrach ihn Cameron.
Pode erstarrte. Er umklammerte sein Glas, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten.
»Die Sache ist die«, sagte Cameron. »Filme werfen nicht mehr so viel ab wie früher. Hin und wieder tut sich allerdings immer noch eine aussichtsreiche Beteiligung auf. Wir können Sie gern davon in Kenntnis setzen, wenn sich in dieser Richtung etwas bewegt.«
Decker nahm die Gewinn-und-Verlust-Rechnungen, die drei Prospekte sowie einen Stapel Tabellen und Statistiken vom Tisch.
»Machen Sie das.« Er stand auf. »Ich muß langsam los. Danke, daß Sie sich soviel Zeit für mich genommen haben. Ich lasse mir alles noch einmal gründlich durch den Kopf gehen und gebe Ihnen dann Bescheid, wie ich mich entschieden habe.«
Smithson und Pode standen auf und streckten ihm die Hand hin. Decker verabschiedete sich zuerst von Smithson.
»Vielen Dank für das Gespräch«, sagte Cameron knapp.
Decker gab Pode die Hand.
»Vielen Dank, Mr Cohen. Ich hoffe, daß sich unsere geschäftliche Beziehung in Zukunft für beide Seiten vorteilhaft gestalten wird.«
Decker lächelte. »Davon gehe ich aus.«
Er saß in seinem dunklen Schlafzimmer und fühlte sich wie ein Witwer. Er trauerte um die verlorene Beziehung zu Rina, und er war niedergeschlagen, weil er im Fall Bates-Armbruster nicht recht weiterkam.
Wenn Dustin und Blade ein und dieselbe Person waren, wer war dann der angemalte Junge auf dem Film? Die zweite Besetzung, die im letzten Augenblick eingesprungen war?
Hatte Dustin seinen Vater ins Pornogeschäft hineingezogen oder war es umgekehrt gewesen?
Was hatte Dustin eigentlich damit zu tun?
Wie konnte er Dustin aushorchen, ohne ihn mißtrauisch zu machen?
Es war zum Kotzen!
Er knipste das Licht an und starrte auf den Siddur, der auf seinem Nachttisch lag. Wie hatte er ihn einfach da vergessen können? Er hätte ihn ins Regal stellen müssen, damit er nicht aus Versehen Kaffee darauf verschüttete. Er nahm ihn in die Hand und begann, die Lobpreisungen Gottes zu lesen. Ohne es zu merken, hatte er Ma’ariw gesagt – das Abendgebet. Er machte das Licht wieder aus und blickte ins Dunkel, das ihn umgab. Die Worte des Gebetes hatten ihn berührt. Die Einsamkeit brachte immer seine Religiosität zum Vorschein. Komisch, daß Marge nur dann an Gott dachte, wenn sie allein im Bett lag. Vielleicht konnte man Gott am besten im Dunkeln erkennen. Er schloß die Augen und knüllte das Kopfkissen zusammen.
Erinnerte Gesprächsfetzen huschten ihm durch den Kopf.
Das Problem ist die Familie, Rabbi. Die Polizei sucht den Täter immer als erstes in der Familie.
Ihr Weißen seht doch sowieso einer wie der andere aus.
Irgendein weißer Junge.
Wie geht es eigentlich Ihrem Sohn, Cecil?
Welchem?
WELCHEM?
Decker setzte sich auf.
In Cecil Podes Haus hatten sie keine Privatfotos gefunden. Es wurde Zeit, daß er sich selbst ein Bild von der Familie Pode machte.
22
»Ich brauche seine gesamten Steuerakten, nicht nur die 1040er«, sagte Decker zu der Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ganz recht, Madam, sowohl die vom kalifornischen als auch die vom Zentralfinanzamt, und zwar aus den letzten dreißig Jahren …«
Die Stimme wurde schrill.
»Ich weiß selbst, daß das verdammt viele Informationen sind«, sagte er gereizt. »Also hören Sie lieber auf, sich mit mir zu streiten, und schmeißen Sie Ihren Computer an, das spart Zeit. Ich ermittle in einem Mordfall … Ach ja, und wenn Sie schon mal dabei sind, können Sie mir auch gleich seine Militärunterlagen raussuchen.«
Eine knappe Antwort, gefolgt von einem Klicken.
»Du kannst mich mal«, sagte er und knallte den Hörer auf die Gabel. Er hob wieder ab und wählte die Nummer
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