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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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sprechen?«
    »Das wäre mir sehr lieb. Ich könnte weibliche Hilfe gebrauchen.«
    »Wann?«
    »Jetzt gleich, wenn es dir nichts ausmacht. Ich dachte mir, ich könnte mir das Zimmer der Kleinen ansehen, während du mit Mrs. Bates sprichst.«
    Marge stand auf. In den hochhackigen Schuhen konnte sie Decker fast in die Augen sehen, und mit ihrer Steppjacke wirkte sie sehr breitschultrig.
    Sie nahm ihre Tasche und sagte: »Gehen wir.«
     
    Die Familie Bates wohnte in La Canada, am Ende einer von Bäumen gesäumten Sackgasse. Das Haus hatte ein Zwischengeschoß, und die Fassade war mit Holz und Steinen verkleidet. Mitten durch den frisch eingesäten Rasen führte ein Steinplattenweg, der auf beiden Seiten von Rosenbüschen eingefaßt war, ein bunter Blütensaum in Hellrosa, Scharlachrot und Sonnenscheingelb. Marge klopfte an die Tür, und ein zartes, blondes Persönchen öffnete.
    »Mrs. Bates?« sagte Decker und zeigte ihr seine Marke.
    »Kommen Sie herein, Sergeant … Entschuldigen Sie, ich habe Ihren Namen vergessen.«
    »Decker, Madam.« Er gab ihr seine Karte. »Das ist meine Kollegin, Detective Dunn.«
    »Mein herzlichstes Beileid, Mrs. Bates«, sagte Marge sanft.
    Mrs. Bates nahm die Beileidsbekundungen mit einem sachten Kopfnicken an. Unter anderen Umständen hätte sie wahrscheinlich hübsch ausgesehen, aber der Kummer hatte ihr Gesicht ausgelaugt und die Linien verwischt. Ihre Augen waren tief eingesunken, das Blau verblaßt. Die Wangen hingen schlaff herunter, und die Lippen waren kraftlos und blutleer. Sie war genauso blond, wie es ihre Tochter gewesen war, aber ihre Haare waren strähnig und ungewaschen. Unter dem Blick der Beamten schien sie zu welken, und sie machte einen hilflosen Versuch, ihren Morgenmantel zu ordnen.
    »Sie müssen meinen Aufzug entschuldigen«, flüsterte sie.
    Decker legte ihr die Hand auf die kleine, knochige Schulter.
    »Mrs. Bates, es tut uns sehr leid, daß wir Sie an einem solchen Tag belästigen müssen. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    Der Frau schossen die Tränen in die Augen.
    »Kommen Sie doch bitte herein.«
    Mrs. Bates führte sie ins Wohnzimmer. Das weiße Samtsofa hatte nicht den kleinsten Fleck. Überhaupt war der ganze Raum tadellos sauber. Sie bot ihnen eine Tasse Kaffee an, aber sie lehnten dankend ab.
    »Wenn es Ihnen recht wäre, Mrs. Bates«, begann Decker, »hätte ich mir gern Lindseys Zimmer angesehen.«
    »Was … was suchen Sie denn da?« fragte sie.
    »Nichts Bestimmtes«, antwortete er.
    Es war die Wahrheit, aber es steckte doch noch etwas anderes dahinter. Decker wollte ein Gefühl für die lebende Lindsey bekommen, um sich in sie hineinversetzen zu können. Ihr Zimmer war dafür der logische Ausgangspunkt. Zimmer und Gepäck. Wenn man auf die Schnelle eine Charakteranalyse von einem Menschen braucht, reicht es oft, wenn man weiß, was er für einen Wochenendausflug eingepackt hat.
    »Dagegen ist wohl nichts zu sagen«, meinte Mrs. Bates. »Am Ende der Diele, die dritte Tür links. Die Tür, die … zu ist.«
    Decker dankte ihr und ließ die beiden Frauen allein.
    Marge ließ Mrs. Bates den Anfang machen.
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen noch erzählen kann, was ich nicht schon der Polizei erzählt habe«, begann diese schließlich. »Wenn Sie dazu in der Lage sind«, sagte Marge, »wäre es gut, wenn Sie mir genau erzählen könnten, was an dem Tag, an dem Lindsey verschwand, passiert ist.«
    Mrs. Bates senkte den Kopf, und Marge nutzte die Gelegenheit, ihren Notizblock herauszuholen.
    »Es war an einem Samstag«, sagte sie. »Ich kann nicht glauben, daß sie wirklich …«
    Sie machte eine Pause, atmete tief durch und fragte dann fast flehend: »Könnte es nicht doch ein Irrtum sein? Wie will man denn auf Grund eines Zahnabdrucks eine so furchtbar wichtige Sache entscheiden?«
    »Es scheint keine Zweifel daran zu geben.«
    »Aber es sind doch bloß Zähne!«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anderes sagen, Mrs. Bates«, murmelte Marge. »Wenn es noch Zweifel gäbe, wäre ich bestimmt nicht hier. Aber wir sind uns völlig sicher, daß wir Ihre Tochter gefunden haben. Es tut mir so leid. Es muß sehr schwer für Sie sein, sich damit abzufinden.«
    »Hoffentlich müssen Sie so etwas nie selber erleben.« Aufschluchzend schlug Mrs. Bates die Hände vors Gesicht. Als Marge ihr ein Papiertaschentuch anbot, putzte sie sich die Nase. Dann versuchte sie es noch einmal.
    »Wie ich schon sagte, es war ein Samstag …« Sie fing wieder an zu

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