Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
geworden war. Ihre Mutter hatte sie zuletzt gesehen, als Lindsey ihr sagte, sie wolle ins Einkaufszentrum Glendale Galleria fahren, um sich zu ihrer neuen, gelben Bundfaltenhose eine schicke Bluse in Pink zu kaufen. Sie wollte um vier zurück sein, und als sie um fünf noch nicht wieder zu Hause war, fing ihre Mutter an sich Sorgen zu machen. Achtundvierzig Stunden später galt Lindsey offiziell als vermißt. Ihre Akte enthielt noch einige andere Einträge – Aussagen von Eltern und Freunden –, aber etwas Brauchbares war nicht dabeigewesen.
    Der Detective, der den Fall in Glendale bearbeitet hatte, hieß Don Oldham. Er war ein energischer, übergewichtiger Mann von fünfzig, der vor einem Monat nach fünfundzwanzig Dienstjahren seine Polizeimarke an den Nagel gehängt hatte. Nachdem die Tote als Lindsey Bates identifiziert und die Eltern benachrichtigt worden waren, suchte Decker den ehemaligen Kollegen in seiner Eigentumswohnung mit Blick auf die smogverhangenen San Gabriel Mountains auf. Es heißt zwar manchmal, mit der Pensionierung verkümmere der Lebenswille, aber einem zufriedeneren Menschen als Don Oldham (oder Donnie, wie er sich rufen ließ) war Decker noch nie begegnet. Oldham war ein begeisterter Züchter tropischer Zierfische, und die Art und Weise, wie er Wasserproben entnahm und Chemikalien in die fünfzig belüfteten Aquarien gab, mit denen sein Wohnzimmer vollgestellt war, erinnerte Decker an einen verrückten Wissenschaftler. Die Aquarien gurgelten und blubberten wie kochende Kessel. Es dauerte zwanzig Minuten, bis Donnie endlich zur Sache kam.
    Er erinnerte sich an den Fall, und er war zu einem höchst tiefgründigen Urteil darüber gekommen: Die Kleine war entweder entführt worden oder ausgerissen.
    Ob ihm eine der beiden Möglichkeiten wahrscheinlicher vorkomme, wollte Decker wissen.
    Doch, meinte Oldham, die Entführung. Offenbar habe sie nichts mitgenommen. Ihr Wagen habe noch auf dem Parkplatz gestanden. Man haue nicht einfach ab, ohne wenigstens ein Andenken einzustecken.
    Was aber, wie er schadenfroh hinzufügte, noch lange nicht bedeuten müsse, daß sie nicht vielleicht doch einfach nur ausgerissen sei.
    Decker bedankte sich. Als er sich auf dem Weg zur Tür noch einmal umdrehte, sah er, wie Oldham sich das Hemd auszog und die nackten Arme in ein Aquarium voller Guppys steckte. Eine tiefe, glänzende Narbe lief über seine rechte Schulter. Decker hätte gern gewußt, wie er sich die Kugel eingefangen hatte.
     
    Als er kurz nach zwölf wieder ins Büro kam, saß Marge Dunn an ihrem Schreibtisch. Sie sah ziemlich mitgenommen aus.
    »Was ist denn mit dir los?« fragte er.
    »Zu viele Bierchen gekippt gestern abend«, antwortete sie und strich sich die Haare aus den Augen. Die blonden Strähnen hingen schlapp herunter, und sie war blaß im Gesicht.
    »Du siehst nicht verkatert aus, sondern krank. Als ob du erkältet wärst. Warum gehst du nicht nach Hause?«
    Sie tat seinen Vorschlag mit einer Handbewegung ab. »Das Aspirin fängt schon an zu wirken. Es geht gleich wieder.«
    »Woran arbeitest du zur Zeit?« fragte Decker.
    »Hab mal wieder einen Exhibitionisten am Hals. Den dritten in dieser Woche. Anscheinend geilt dieser Typ sich am liebsten im Kino auf, und am allerliebsten in der Kindervorstellung. Erwischt haben sie ihn, als der Zeichentrickfilm gerade am schönsten war – und zwar für ihn am schönsten. Er war nämlich gerade dabei, einem kleinen Mädchen Soße aufs Popcorn zu spritzen.«
    Decker stöhnte.
    »Die Mama ist ausgerastet«, erzählte Marge weiter. »Hat vor ausverkauftem Haus das Kreischen angefangen. ›Haben Sie das gesehen? Der Mann da hat gerade in das Popcorn meiner Tochter ejakuliert!‹ Der Perverso sitzt mittlerweile einfach da und grinst dämlich vor sich hin. Hat gegen die Verhaftung keinen Widerstand geleistet. War fix und fertig, der Typ.«
    »Hoffentlich haben sie ihr Eintrittsgeld zurückgekriegt«, sagte Decker.
    »Das schon, und auch eine neue Tüte Popcorn auf Kosten des Hauses, aber Mama war trotzdem nicht gerade entzückt.«
    »Hast du außer dem Kinderschreck noch irgendwelche dringenden Fälle?«
    »Ich bin ziemlich eingedeckt. Was gibt’s denn?«
    »Wir haben jetzt eine der Toten, die wir ausgebuddelt haben, identifiziert.« Marge nickte beifällig mit dem Kopf. »Keine schlechte Arbeit, Pete.«
    »Manchmal hat man eben Glück. Eine sechzehnjährige Weiße namens Lindsey Bates. War knapp vier Monate verschwunden.«
    »Soll ich mit der Mutter

Weitere Kostenlose Bücher