Das Hohelied des Todes
Liebe zu ihr ein neuer Mensch geworden war.
Decker hingegen wußte, daß es weit tiefer ging. Die Religion hatte ihm ein Fünkchen Glauben gegeben, und obwohl daraus noch kein Feuer geworden war – dafür war er vermutlich viel zu zynisch –, war es immer noch besser als völlige Dunkelheit.
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein junger Detective mit dünnem Oberlippenbart zur Tür hereinschaute.
»Telefon für dich, Pete.«
»Okay, George.«
Der Schnurrbart kräuselte sich.
»Soll ich ein bißchen für dich einspringen, Rabbi?« fragte George. »Die vielen unmoralischen Bilder müssen dir doch schon ganz schön aufs Gemüt schlagen.«
»Nicht nötig«, antwortete Decker. Er ging an einen anderen Schreibtisch und nahm den Hörer ab. Eine schrille, junge Stimme gellte ihm ins Ohr.
»Ihr Bullen habt wohl Nerven wie Drahtseile. Am Wochenende habe ich bestimmt hundertmal angerufen, aber kein Schwanz hat sich gemeldet. Was, wenn ich nun wichtige Informationen gehabt hätte? Ich glaube fast, es ist euch scheißegal, wenn einer umgenietet wird, solange es nur ja nicht an eurem heiligen Wochenende passiert.«
»Wer spricht da?« brüllte Decker in den Hörer.
»Ihre Informantin, Decker.«
»Hast du mir was zu berichten, Kiki?«
»Nicht am Telefon.«
»Wenn du mir nicht sagst, worum es geht, treffe ich mich nicht mit dir.«
Pause.
»Tja«, sagte sie zögerlich.
Decker sah auf seine Uhr. »Ich habe einen Haufen Arbeit, Kiki. Rück endlich raus damit oder leg auf.«
»Über die Kleine habe ich noch nichts rausgekriegt, aber ich bleibe am Ball.«
»Wenigstens bist du ehrlich.«
»Ja, aber bloß aus lauter Ehrlichkeit haue ich auch keine zehn oder vielmehr zwanzig Cent für einen Telefonanruf auf den Kopf. Ich habe einen Namen für Sie. Von einem Pornofotografen. Er hat eine Vorliebe für junge Küken und Ausreißerinnen.«
Decker schnappte sich einen Zettel.
»Weiter.«
»Er hat auch ein legales Geschäft. Er fotografiert auf Hochzeiten, Kommunionen, Taufen und so weiter.«
»Den Namen, Kiki.«
»Cecil Pode heißt der Typ. Er hat einen Laden in Culver City. Lassen Sie dafür was springen, Decker?«
»Schon möglich.«
»Mensch, ich bin total blank. Geben Sie sich einen Ruck.«
»Wieviel hätte dir denn vorgeschwebt?«
»Ein Zehner wäre nicht zu verachten.«
»Besorg mir die Namen von Zuhältern, die auf Ausreißerinnen spezialisiert sind, dann können wir darüber reden.«
»Bis wann?«
»Bis um zwei.«
»Okay«, sagte sie. »Wir treffen uns im Teriyaki Dog an der Ecke Sunset und Vermont. Gleich gegenüber vom Kinderkrankenhaus. Bis dahin müßte ich ein paar Namen für Sie aufgetan haben. Was macht Ihr Arm, Decker?«
»Geht schon wieder. Bis um zwei also.«
»Waren Sie beim Arzt?« hakte sie nach. »Sie wissen ja, Bißwunden können gefährlich sein.«
»Kiki, ich muß Schluß machen.«
Er legte auf und ging zurück zu den Fotos.
»Glück gehabt?« fragte er.
»Lauter Nieten«, antwortete Marge. »Aber ich hätte zu gern gewußt, wieso ich für eine ganze Kiste genauso lange brauche wie Hollander für drei Fotos.«
»Ich bin eben ein genauer Betrachter mit einem Blick fürs Detail«, gab Hollander zurück. »Laß mich in Frieden, Lady.«
Decker nahm sich die nächste Kiste vor.
»Herrschaftszeiten!« rief Hollander. »Haben denn diese jungen Dinger heutzutage überhaupt kein Schamgefühl mehr? Die Kleine hier hat Soße in der Nase.«
»Ein Foto, das sogar dich anekelt?« sagte Marge. »Das muß ich sehen.«
Sie nahm ihm das Bild ab.
»Igitt. Die ist ja in dem Zeug gebadet.«
Als Decker ebenfalls einen Blick darauf warf, machte er große Augen. Er riß Marge das Foto aus der Hand.
»Was ist los, Pete?«
»Haben wir von ihr noch mehr Aufnahmen, Mike?«
»Klar«, sagte Hollander. »Tonnenweise. Sie ist ein emsiger kleiner Biber. Entschuldigung, schwacher Witz.«
»Was ist los, Pete?« wiederholte Marge.
»Die Zähne!« rief Decker. »Seht euch doch mal ihre Schneidezähne an. Die reinsten Wäscheklammern.«
»Hier hast du noch ein paar«, sagte Hollander.
Aufgeregt wühlte Decker in den Bildern. Auf keinem der anderen Fotos waren ihre Zähne zu sehen, aber eine vielversprechende Aufnahme fand er schließlich doch noch. Die junge Frau war während eines Oralverkehrs fotografiert worden, ihr Gesicht war im Halbprofil zu sehen.
»Ich muß ein paar Leute anrufen«, sagte Decker. »Margie, du erkundigst dich bei der Sitte nach den Fotos. Mike, du suchst weiter nach Lindsey
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