Das Hohelied des Todes
und klopfte laut an die Tür. Fünf Minuten später machte ihm Truscott in Unterwäsche auf. Schlaftrunken hielt er sich an der Klinke fest.
»Was ist los?« murmelte er.
»Sie erinnern sich an mich, Chris?«
Der Junge nickte schläfrig mit dem Kopf.
»Kommen Sie rein.« Gähnend hielt er ihm die Tür auf.
Keiner von beiden setzte sich.
»Was ist denn los?« wiederholte der Junge.
»Der Auftrag, den Sie an dem Tag hatten, als Lindsey verschwunden ist. Sie sagten, es wäre eine Hochzeit gewesen.«
»Stimmt.«
»Sie sagten, Sie mußten im letzten Moment für einen Kollegen einspringen.«
»Ja.«
»Wer sollte die Hochzeit ursprünglich fotografieren?«
»Ein Bekannter von mir.«
»Wie heißt er?«
»Cecil Pode. Er ist ein …«
»Verdammt!« Decker schlug sich mit der Faust in die offene Hand. »Wußte Pode, daß Sie mit Lindsey verabredet waren?«
Der Junge machte einen völlig verwirrten Eindruck. Er rieb sich die Augen.
»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte er.
»Hat Pode Lindsey gekannt?«
»Er hat sie ein paarmal gesehen. Ich habe meine Bilder in seinem Studio entwickelt. Er hat ein paar Aufnahmen gesehen, die ich von ihr gemacht habe, und gesagt, ich solle sie doch mal mitbringen. Er wollte Fotos für sein Schaufenster von ihr machen. Er hat mir immer wieder gesagt, wie fotogen sie wäre. Aber ich glaube nicht, daß etwas daraus geworden ist.«
»Hat Pode auch die Aktfotos von Lindsey gesehen?«
»Wahrscheinlich. Ich weiß es nicht genau.«
»Wie haben Sie Pode kennengelernt?«
»Am Strand. Er hing viel am Pier in Venice rum.«
»Wußte Pode, bevor er Ihnen den Hochzeitsauftrag vermittelt hat, daß Sie an dem Tag mit Lindsey verabredet waren?«
»Schon möglich. Verdammt, ich kann mich nicht mehr erinnern.« Der Junge geriet in Panik. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich weiß es noch nicht genau.«
»Was soll das heißen, Sie wissen es noch nicht genau?« Truscotts Stimme schnappte über. »Was hat Cecil mit Lindsey zu schaffen? Hat er ihr etwas getan?«
Decker schwieg. Truscott packte ihn bei den Schultern. Für einen so schmächtigen Jungen hatte er einen erstaunlich festen Griff.
»Es könnte sein«, antwortete Decker leise. »Womöglich hat er ihr gesagt, er bringt sie zu Ihnen. Und dann hat er sie entführt.«
Dem Jungen entfuhr ein erstickter, ächzender Schrei. Dann brach er weinend in Deckers Armen zusammen.
Decker legte sich von halb sieben bis halb neun im Ruheraum des Reviers aufs Ohr. Um neun Uhr rief er verschlafen die Telefonvermittlung in Klamath Falls an. Es gab drei Einträge unter Armbruster. Beim zweiten Versuch hatte er Erfolg. Katie war vor sieben Jahren von zu Hause weggelaufen, wo man seither nichts mehr von ihr gehört hatte. Als Decker erklärte, worum es sich handelte, erwartete er einen Gefühlsausbruch am anderen Ende der Leitung. Aber der einzige Kommentar der Mutter lautete: »Ein Glück, daß wir das Flittchen los sind.« Sie nannte ihm gern den Namen von Katies Zahnarzt und ließ ihn unmißverständlich wissen, daß sie keinerlei Wert darauf lege, Katie in Klamath Falls zu begraben. Sie sei ein Luder gewesen, und eine christliche Beerdigung wäre sowohl eine Gotteslästerung als auch eine Verschwendung ihres sauer verdienten Geldes.
Decker mußte daran denken, daß Katie mit angeborener Syphilis zur Welt gekommen war. Die Empörung der Heuchler.
Katies Zahnarzt hatte nur die aktuellen Röntgenbilder seiner derzeitigen Patienten zur Hand. Es würde ein paar Tage dauern, bis er Katies Aufnahmen herausgesucht hatte. Er erinnerte sich daran, sie ein-, zweimal behandelt zu haben. Die Armbrusters konnten sich nicht allzuviel leisten. Wenn er die Röntgenbilder gefunden hatte, wollte er sie Decker gern zukommen lassen. Es sei schade um Katie, sagte er zu Decker. Sie sei zwar ein wildes, schwieriges Kind gewesen, aber deshalb habe sie noch lange nicht den Tod verdient.
Morrison saß hinter seinem Schreibtisch und ließ Decker nicht aus den Augen.
»Verraten Sie mir vielleicht, was hier eigentlich vorgeht, Pete? Sie haben zwei Durchsuchungsbefehle und die Beschattung eines Finanzmaklers namens Dustin Pode beantragt.«
»Die Durchsuchungsbefehle sind für das Haus und das Studio seines Vaters. Cecil Pode vertreibt Snuff-Filme, Pornos, in denen Menschen umgebracht werden. Ich gehe jede Wette ein, daß er an Lindsey Bates Entführung und Ermordung beteiligt war. Nachdem ich ihn vernommen hatte, hat er sich offenbar abgesetzt. Ich will sehen, ob er
Weitere Kostenlose Bücher