Das Hohelied des Todes
Möchtegernhäschen für den Playboy. Dritter Akt: Cecil macht sie mit seinem Sohn Dustin bekannt. Vierter Akt: Dustin verführt sie und überredet sie, in seinen Softpornos mitzuspielen. Fünfter Akt: Lindsey stirbt, wahrscheinlich weil ihr nicht gefällt, was man von ihr verlangt, und weil Dustin mit aufsässigen Schauspielerinnen nicht viel Geduld hat, oder weil sie in einem Snuff-Film mitgespielt hat, oder weil sie zur falschen Zeit im falschen Feuer war – genau wie Dustins Mutter.
Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
Warum sollte sie sich erst mit Chris verabreden, wenn sie sowieso vorhatte, mit Dustin durchzubrennen? Hatte Lindsey Cecil gebeten, ihr Chris vom Hals zu schaffen, damit sie mit Dustin weglaufen konnte und der Verdacht auf Chris fiel? Der arme Chris. Decker mußte daran denken, wie er den Jungen in den Armen gehalten hatte, während er weinte. Und dieses keuchende Schluchzen – wie von einem Sterbenden, der nach Luft rang.
Er brauchte die Podes. Cecil war verschwunden. Dustin war seine letzte Hoffnung.
15
Diskretion hieß das Gebot der Stunde. Hollanders Gespräch mit Dustin Pode konnte sich als zweischneidiges Schwert entpuppen. Entweder hatten sie Dustin aufgescheucht und er ließ sich zu einer Dummheit hinreißen, oder aber er nahm sich vor der Polizei von nun an doppelt in acht. Decker mußte ihn so unauffällig wie möglich beschatten.
Er überlegte lange, welchen Wagen er nehmen sollte. Obwohl der Plymouth ein Funkgerät hatte, war er für eine Observierung denkbar schlecht geeignet. Jedem, der sich auch nur ein bißchen mit Polizeifahrzeugen auskannte, sprang er sofort ins Auge. Privat fuhr Decker einen Porsche 911 Baujahr 69 und einen Jeep. Beide fielen im Stadtverkehr zu sehr auf. Zum Schluß entschied er sich für Rinas bronzefarbenen Volvo und gab ihr dafür den Plymouth. Er hatte seinen Piepser dabei und bat Marge, sich zu melden, wenn sich etwas Wichtiges tat. Nun konnte er bloß noch hoffen, daß er nichts vergessen hatte.
Bis jetzt war Pode nur zur Arbeit gefahren. Decker parkte ein paar Buchten neben dem weißen Mercedes 450 SL des Maklers auf Ebene C der Tiefgarage. Es war unangenehm feucht hier unten, Abgase hingen in der Luft, und er merkte, daß er langsam Kopfschmerzen bekam. Nachdem er eine Stunde im Wagen gesessen hatte, stieg er, um sich die Beine zu vertreten, in den vierten Stock hinauf. Das Treppenhaus war leer und still, bis auf die Aufzugklingel und eine zuklappende Tür hin und wieder war kein Laut zu hören. Er lehnte sich an eine Wand und faßte sich in Geduld. Eine weitere Stunde verging. Um Viertel nach elf kam Dustin endlich aus seinem Büro. Während er auf den Fahrstuhl wartete, nutzte Decker die Gelegenheit, sich unauffällig sein Gesicht einzuprägen.
Mike hatte recht. Der junge Pode war ein attraktiver Mann. Einsachtzig bis einsfünfundachtzig groß, neunzig Kilo schwer und gut gebaut. Ein Bodybuilder – breite Brust und kräftige Schultern. Schicke Frisur, dichter Schnurrbart. Braune Haut aus dem Sonnenstudio. Er hatte ein schlankes Gesicht, eine gerade Nase und tief liegende Augen unter dunklen Brauen.
Der große, dunkle, gutaussehende Mann hatte kaum Ähnlichkeit mit seinem Vater. Sobald Dustin den Aufzug betreten hatte, sprintete Decker auch schon die Treppe hinunter. Zwei Sekunden nach dem Mercedes fuhr er ebenfalls los.
Pode wollte nach Beverly Hills – zum Lunch in die La Ragazzina Boutique, ein kleines italienisches Restaurant, in dem sich Geschäftsleute drängten, Sternchen aus der Unterhaltungsbranche und Hausfrauen, die an akuter Langeweile litten und nach Beachtung suchten. Das Restaurant war für Beschattungszwecke ideal, weil hier die einen nur mit sich selbst beschäftigt waren und die anderen um jeden Preis auffallen wollten. Decker setzte sich an die Bar und bestellte ein Soda.
Pode saß gegenüber von der Bar in einer dunkelroten Nische. Nach fünf Minuten gesellte sich Cameron Smithson mit zwei weiteren Männern in Nadelstreifenanzügen zu ihm. Nachdem die vier sich eine Weile unterhalten hatten, stellte Cameron einen Aktenkoffer auf den Tisch. Im Nu war alles mit Papieren bedeckt.
Decker sah auf die Uhr. Ein halber Tag beim Teufel. Vielleicht hatte Morrison doch recht. Es war wirklich die reine Zeitverschwendung. Er stand auf und ging zum Telefon, das gerade von einer Frau, die die Hände einer Fünfzigjährigen und das Gesicht einer Dreißigjährigen hatte, mit Beschlag belegt wurde. Erstklassig geliftet. Sie hatte genauso
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