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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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feuerrote Haare wie er, aber bei ihr kam die Farbe aus der Tube. Ungeduldig sah er noch einmal auf die Uhr und warf einen Blick zu Pode hinüber.
    Der Papierstapel war angewachsen.
    Endlich hängte die Frau ein. Sie drehte sich um, lächelte und wollte ihm in die Haare fassen. Instinktiv wich er zurück.
    Sie kicherte.
    »Echt, was?«
    »Ja.«
    »Sie Glückspilz.« Sie winkte den Oberkellner heran.
    »Tony!« schnurrte sie heiser, breitete die Arme aus und herzte den Latino.
    Die Umarmung verhalf ihr auch nicht schneller zu einem Tisch. Lächelnd führte Tony sie zur Bar.
    Decker rief auf dem Revier an und erfuhr, daß sich in der Zwischenzeit nicht das geringste getan hatte. Weder waren die Durchsuchungsbefehle ausgestellt worden noch die Röntgenbilder aus Oregon gekommen. Marge hatte beschlossen, den Fall vorübergehend auf Eis zu legen und sich mit einem anderen zu beschäftigen, der gerade frisch hereingekommen war.
    Toll!
    Gestern war der Fall noch brandheiß gewesen, aber heute kühlte er merklich ab. Verdammt noch mal. Lindsey hatte mehr verdient.
    Eine Stunde später verließ Pode das Restaurant. Decker folgte ihm bis zum Rox-San-Gebäude, fünf Straßen vom Restaurant entfernt. Noch mehr Warterei. Er holte seine Lunchtüte heraus – ein Stück koschere Salami, Kräcker, nichts zu trinken. Heute hatte er sich das Essen selber eingepackt. Bald roch sein Atem leicht nach Knoblauch, und er wurde zunehmend gereizter.
    Wenn er so nicht weiterkam, mußte er sein Glück noch einmal auf den Straßen Hollywoods probieren, und von dieser Aussicht war er alles andere als begeistert. In letzter Zeit ging ihm das Elend zu sehr an die Nieren. Es war der Kontrast, der ihm so zusetzte. Die eine Minute war er ein spiritueller Mensch, der betete und nach einem höheren Sinn in seinem Leben forschte, im nächsten Augenblick watete er bis zu den Knien im Dreck. Er lebte in zwei Welten, und er konnte kaum noch unterscheiden, welcher Teil seines Lebens real war und welcher ein Undercover-Auftrag.
    Nach einer Stunde verließ Pode das Gebäude und fuhr zur Executive First zurück. Zwanzig Minuten später tauchte er mit einer Sporttasche wieder auf. Decker folgte ihm zum Fitneßstudio. Vor dem Sportclub konnte er sich weiter die Beine in den Bauch stehen.
    Wenigstens war etwas für’s Auge geboten. Er konnte den Frauen in Gymnastikanzügen nachsehen, die das Studio betraten und wieder verließen. Gute Figuren, aber für seinen Geschmack zu eckig und zu muskulös. Er mochte sanftere Formen und Kurven – so wie bei Rina.
    Decker war übelster Laune – er war sauer auf sich selbst. Zeit war kostbar, und er hatte für nichts und wieder nichts einen ganzen Tag verplempert. Schon möglich, daß Cecil sich mit seinem Sohn in Verbindung gesetzt hatte, schon möglich, daß Dustin ihn irgendwo versteckte und ihm ein bißchen Kohle rüber schob. Aber wenn es sich tatsächlich so abgespielt hatte, war es bestimmt längst vorbei und die beiden taten ihm garantiert nicht mehr den Gefallen, sich vor seinen Augen zu treffen.
    Heute würde er noch am Ball bleiben, und wenn nichts dabei rauskam, wollte er am Abend sein Glück noch ein allerletztes Mal bei Podes Fotostudio versuchen. Führte aber auch das zu nichts, mußte er sich etwas anderes einfallen lassen.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend öffnete er das Handschuhfach. Es enthielt Stadtpläne und bekritzelte Zettel – Einkaufslisten und Notizen – halb hebräisch, halb englisch. Er mußte lächeln, als er daran dachte, wie Rina mit zarter Hand die Zeilen aufs Papier warf, wie konzentriert sie beim Schreiben war. Einmal hatte er sie oben ohne gesehen – nur einen Augenblick lang. Es war ein Versehen gewesen. Jacob hatte ihr Ketchup auf die Bluse gekleckert, und sie hatte sich im Badezimmer umgezogen. Die Tür war zu gewesen, aber nicht abgeschlossen. Er mußte aufs Klo, machte die Tür auf, und da stand sie vor ihm. Sie hatte sich sofort bedeckt, und er hatte die Tür rasch wieder zugeschlagen, aber er hatte sie gesehen. Es hatte ihm ein für allemal bewiesen, daß sie kein Porzellanpüppchen war, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut – genau wie er. Sie waren beide verlegen gewesen, als sie wieder herauskam, und hatten den Vorfall niemals erwähnt. Aber einsam und verlassen, wie er sich nun fühlte, half ihm diese Erinnerung über den Schmerz hinweg.
     
    Was hatte Annie Hennon gesagt? Er hätte das Glück des Tüchtigen? Kurz nach Mitternacht tauchte Cecil Pode an seinem Studio

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