Das Hospital der Verklärung.
Lichteffekte untermalen.
»Ich habe die Absicht, jetzt gleich hinzugehen«, sagte Pajączkowski, der sich unter den Worten des Professors immer mehr aufrichtete, bis sein Don-QuichotteBärtchen zu zittern anfing, »und ich hatte angenommen, Sie würden mich begleiten.« Der Professor reagierte nicht. »Ich gehe also. Gehaben Sie sich wohl, Euer Magnifizenz.«
Sie verließen den Raum.
Der Flur machte eine Biegung. Hier lag noch der rote Schein, der kurz zuvor aus des Professors Zimmer gewichen war. Stefan kam sich plötzlich neben dem trippelnden Greis erschreckend klein vor. Wieviel Stolz lag mit einemmal auf seinem winzigen, welken Gesicht!
»Ich werde jetzt gehen«, sagte er, als sie über dem lichtgestreiften Treppenhaus stehenblieben, »und Sie, werter Kollege, wollen alles, was Sie vernommen haben, bis zu meiner Rückkehr bei sich behalten.« Er stützte die Hand auf das Geländer. »Der Professor hat Schweres durchgemacht, das ist wahr. Man hat ihm seine Wirkungsstätte genommen, wo er die Grundlagen der Elektroenzephalographie – nicht nur der polnischen – geschaffen hat … Trotzdem hätte ich das nicht gedacht …«
Hier zeigte sich der frühere Pajączkowski: Sein Spitzbärtchen zitterte, aber nur einen Augenblick.
»Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, den Lauf des Acheron zu wenden. Immerhin …«
»Soll ich Sie begleiten?« fragte Stefan plötzlich. Gleich darauf aber erschrak er vor seinem eigenen Mut, er fühlte sich ebenso benommen wie damals, als der Deutsche ihm den Fußtritt versetzt hatte. Er wich einen Schritt zurück.
»Nein. Sie können da nichts helfen. Vielleicht Kauters, aber der geht ja nicht mit. Ich weiß es. Das hat gereicht.« Und er stieg mit festem Schritt die Steintreppe hinunter, als wollte er alles Gerede über seine Krankheit Lügen strafen.
Stefan stand noch immer an der Treppe, da kam Marglewski vorbei. Der schlaksige Mediziner war in vortrefflicher Laune. Er packte Stefan am Knopf und zog ihn zum Fenster. »Haben Sie schon gehört, Kollege, daß der Pfarrer morgen eine Messe lesen will? Er braucht Ministranten. Ich habe ihm durch Rygier einige Knaben versprochen. Und wissen Sie auch, wer ihm bei der Messe assistieren soll? Der kleine Piotruś aus meiner Station! Sie kennen ihn doch?«
Stefan konnte sich gut an den lockigen Blondschopf erinnern, dessen Züge Murillos Engeln glichen. Es war ein unterentwickelter, geifernder Kretin.
»Das wird ein Heidenspaß! Passen Sie auf, Kollege, wir müssen unbedingt …«
Stefan bemerkte, er habe es sehr eilig, opferte den Knopf und ließ Marglewski mitten im Satz stehen. Pajączkowski war nach Bierzyniec gegangen; Stefan rannte ihm nach, quer durch den Garten auf die Landstraße. Er ging bergab, fast ohne zu sehen, wo er hintrat. Plötzlich verhielt er den Schritt. Ein neues Geräusch mischte sich in das Rascheln des Laubes. Stefan schaute auf. Ein Motor summte in der Ferne. Etwas fuhr den Hügel herauf, das war an der Staubwolke zu erkennen, die immer näher durch die Bäume wallte. Stefan erschauerte unwillkürlich, als fröstelte ihn, und machte rasch kehrt. Kurz vor dem steinernen Bogen mit seiner verwaschenen Aufschrift war der Motorenlärm schon in nächster Nähe zu hören.
Ein deutscher Wehrmachtskraftwagen ratterte im zweiten Gang knirschend und schwankend auf ihn zu, ein sogenannter Kübelwagen mit schräg abgeplatteter Motorhaube.Durch die Windschutzscheibe war der Stahlhelm des Fahrers gut zu erkennen. Das Auto überholte Stefan, wendete mit ächzendem Getriebe, fuhr in den Außenhof und hielt vor der Pforte.
Stefan folgte dem Wagen.
An der Mauer stand ein hochgewachsener Deutscher. Er trug einen gefleckten Tarnumhang, eine schwarze Brille am Stahlhelm und schwarze Handschuhe mit trichterförmigen Manschetten. Seine Uniform zeigte Spuren getrockneter Straßenkotspritzer. Als Stefan hinzutrat, verhandelte er gerade laut mit dem Pförtner. Stefan antwortete an dessen Statt: »Der Direktor ist leider zur Zeit abwesend. Sie wünschen, bitte?«
»Hier muß mal Ordnung gemacht werden«, sagte der Deutsche. »Sind Sie sein Stellvertreter?«
»Ich bin hier Arzt.«
»Na also, dann gehen wir mal rein.«
Er gab sich so ungezwungen, als wüßte er ganz genau über die Verhältnisse im Hause Bescheid. Der Fahrer blieb im Auto. Im Vorbeigehen bemerkte Stefan, daß der Soldat die rechte Hand am Abzug einer Maschinenpistole hielt, die auf dem Nebensitz lag.
Er führte den Deutschen ins Verwaltungsbüro.
»Wie viele
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