Das Hotel (German Edition)
umgehen.»
«Verstehe ich dich richtig: Du hast einen wildfremden Typen gefragt, ob er dir bei illegalen Computersachen weiterhilft?» Veronika war entsetzt. «Und wenn er nun ein Geheimagent oder so was ist?» Allein die Vorstellung, wie ein Haufen Zivilfahnder ihr Haus stürmten, ließ sie erschauern. «Mein Gott, Jenny, hast du noch alle Tassen im Schrank?»
Die wirkte allerdings nicht im Geringsten besorgt, im Gegenteil, sie schien sich königlich über Veronikas Ängste zu amüsieren. «Sam ist eine Berühmtheit in Hackerkreisen. Jeder kennt ihn. Ich hätte nur nie gedacht, dass er sich mit einem kleinen Licht wie mir abgeben würde.» Jenny schielte stolz auf ihr Spiegelbild im Monitor. «Aber wie ich ihm erzählt habe, dass ich so etwas in der Art von Robin Hood versuchen würde, war er gleich bereit, mir zu helfen.»
«Wie lange hattet ihr euch denn da schon über eure Musiksammlungen unterhalten?», fragte Veronika und konnte nicht umhin, einen Blick auf die Webcam zu werfen, die Jenny jetzt in ihrer Augenhöhe installiert hatte.
«Nicht lange, nur zwei, drei Stunden», meinte Jenny und wurde rot. Hastig fuhr sie fort: «Und es hat sich gelohnt. Guck mal!» Sie drehte den Monitor so, dass Veronika lange Zahlenreihen sehen konnte.
Folgsam beugte die sich vor, studierte die Kolonnen und richtete sich dann kopfschüttelnd wieder auf. «Ich könnte nicht behaupten, dass mir das alles auch nur das Geringste verriete. Was soll das sein?»
«Das sind die Kontonummern samt Zugangsdaten zu den Geldern, die dein Mann beiseitegeschafft hat – zumindest der größte Teil, soweit ich das beurteilen kann», erklärte Jenny und lehnte sich stolz zurück. «Diese komische Bank hat ein absolut mieses Sicherheitssystem. Ein Kinderspiel, das zu knacken. Mein Problem war die Bank davor. Die war so clever, dass ich da nur mit Sams Hilfe reinkam. Und diese hier scheint die Endstation zu sein.» Sie beugte sich vor, und las halblaut «Banca di Populo de … – was für ein unaussprechlicher Name. Na, jedenfalls hier liegt es nun und wartet nur darauf, dass wir es zurückholen.» Sie tätschelte liebevoll das Monitorgehäuse. «Na, was sagst du nun?»
«Ich bin sprachlos», gestand Veronika. «Und das geht wirklich so einfach: das Zurückholen? Wird Erwin denn nicht merken, dass wir es sind?»
«Natürlich wird er es vermuten.» Jenny kicherte wie ein bösartiger Kobold. «Aber das nützt ihm nichts! Erstens wird Sam mir helfen, die Spuren zu verwischen, und zweitens, was soll er denn machen? Er kann ja nicht gut zur Polizei gehen, oder?»
«Nein, das kann er nicht», gab Veronika ihr recht. «Aber wenn er einen Privatdetektiv beauftragt?»
Jenny verzog verächtlich den Mund. «Soll er doch! Ich bezweifle, dass irgendjemand etwas findet, wenn Sam die Spuren verwischt.»
Veronika begann sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass sie tatsächlich bald sehr reich sein würde. «Wie viel ist es?» In Gedanken summierte sie ihre Bankschulden, die Kosten für Maschas Darlehen und vielleicht die eine oder andere Investition …
Jenny zögerte mit der Antwort.
«Was ist denn, Jenny?»
«Eigentlich finde ich, mir steht ein Finderlohn zu», platzte sie schließlich fast trotzig heraus. «Ohne mich hättest du nichts davon wiedergesehen.»
«Aber natürlich.» Veronika schämte sich, nicht gleich daran gedacht zu haben. «Das ist doch selbstverständlich.»
«Ich will nämlich zu Sam in die Staaten», gestand Jenny und betrachtete aufmerksam ihre Fingernägel. «Er hat mich eingeladen, mir sein Geschäft anzusehen, und wenn es mir gefällt, kann ich einsteigen.»
«So plötzlich, Hals über Kopf? Ist das nicht etwas unüberlegt?»
Jenny zuckte mit den Schultern. «Vielleicht. Aber eine solche Riesenchance bekommt man nur einmal im Leben. Du weißt natürlich nicht, wie berühmt Sam ist. Es ist, wie soll ich’s dir erklären …», sie suchte sichtlich nach Entsprechungen aus Veronikas Leben. «Es ist so, als würde dich das Waldorf Astoria fragen, ob du bei ihnen einsteigen willst, verstehst du?»
Ihre Augen leuchteten, als sie fortfuhr: «Das ist die Gelegenheit für mich, mein Leben umzukrempeln. Es war nett mit euch, ehrlich. Aber ich passe nicht in diese Villa. Ich kam mir immer vor wie einer der Fehler in diesen Bilderrätseln. Du weißt schon: Original und Fälschung.»
«Nein, Jenny …», versuchte Veronika zu protestieren.
«Doch, so war es. Von diesen Typen, mit denen du so gut kannst, kriege ich eine
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