Das Hotel New Hampshire
war jemand, der ihn bewachte.
Ich erkannte den glänzenden, schwarzen Rücken - das dichte, kurze, ölige Fell; die kantige Rückseite seines Dickschädels und die halb aufgerichteten untauglichen Ohren. Er saß auf seinem Schwanz, so wie er das - zu seinen Lebzeiten - immer getan hatte, und er blickte auf Egg herab. Frank hatte ihn wohl so hergerichtet, daß er einfältig grinste oder wenigstens hechelte, in dieser beknackten Art, mit der einem Hunde immer wieder Bälle und Prügel vor die Füße legen. Ach, die schwachsinnigen und doch glücklichen Zuträger der Welt - das war unser alter Kummer: ein Zuträger und ein Furzer. Ich kroch aus dem Bett, um mir das Biest von vorne, aus Eggs Blickwinkel, anzusehen.
Auf einen Blick sah ich, daß sich Frank im Bemühen, Kummer »lieb« zu machen, selbst übertroffen hatte. Kummer saß auf seinem Schwanz, wobei er mit den Vorderpfoten sittsam seinen Unterleib bedeckt hielt; auf seinem Gesicht lag eine läppische, glatte Glückseligkeit, und die heraushängende Zunge ließ ihn noch einfältiger aussehen. Er sah aus, als wolle er gleich furzen oder mit dem Schwanz wedeln oder sich blödsinnig auf dem Rücken wälzen; er sah aus, als warte er sehnsüchtig darauf, daß ihn jemand hinter den Ohren kraulte - er sah aus wie ein hoffnungslos unterwürfiges Tier, das immer nur gestreichelt und gehätschelt werden wollte. Wenn man außer acht ließ, daß er tot war und daß man Kummers andere Erscheinungsformen unmöglich aus dem Gedächtnis verbannen konnte, dann sah dieser Kummer so harmlos aus, wie Kummer je ausgesehen haben konnte.
»Egg?« flüsterte ich. »Wach auf.« Aber es war Samstag, der Tag, an dem Egg immer ausschlief - und ich wußte, daß Egg in der Nacht schlecht oder nur wenig geschlafen hatte.
Ich blickte aus dem Fenster und sah unseren Wagen im Elliot Park um die Bäume herumfahren, als sei der sumpfige Park ein Slalomkurs - und an der langsamen Fahrt erkannte ich, daß Frank am Steuer sitzen mußte; er hatte gerade erst seinen Führerschein gemacht, und er machte gern Übungsfahrten um die Bäume im Elliot Park. Außerdem hatte Franny gerade ihren befristeten Fahrschülerausweis bekommen, und Frank brachte ihr das Autofahren bei. Daß Frank am Steuer saß, sagte mir das gemächliche Tempo, mit dem der Wagen durch die Bäume fuhr, wie eine Staatskarosse, wie ein Leichenwagen - so fuhr Frank immer. Selbst wenn er Mutter zum Supermarkt brachte, konnte man meinen, er fahre mit dem Sarg einer Königin durch ein Spalier von Trauernden, die noch einen letzten Blick erhaschen wollten. Wenn Franny fuhr, wand sich Frank laut jammernd neben ihr auf dem Beifahrersitz; Franny fuhr gern schnell.
»Egg!« sagte ich lauter, und er bewegte sich ein wenig. Draußen wurden Türen zugeschlagen, in unserem Wagen im Elliot Park gab es einen Fahrerwechsel; ich sah gleich, daß Franny das Steuer übernommen hatte, als der Wagen schaukelnd um die Bäume kurvte und große Batzen des Frühlingsdrecks durch die Luft flogen - während Franks wild gestikulierende Arme auf dem vielzitierten Todessitz nur zu ahnen waren.
»Jessas Gott!« hörte ich Vater aus einem anderen Fenster brüllen. Dann machte er das Fenster wieder zu und beschwerte sich in allen Tönen bei Mutter - über Frannys Fahrweise und darüber, daß man im Elliot Park neues Gras pflanzen müsse und daß man den Dreck nur noch mit dem Meißel vom Auto wegbekomme -, und während ich immer noch Franny bei ihrer rasenden Fahrt zwischen den Bäumen zusah, machte Egg die Augen auf und sah Kummer. Sein Schrei ließ mich die Daumen gegen die Fensterbank rammen und mich auf die Zunge beißen. Mutter kam ins Zimmer gestürzt, um zu sehen, was los war, und begrüßte Kummer ihrerseits mit einem Aufschrei.
»Jessas Gott«, sagte Vater. »Warum muß Frank immer alle mit dem verdammten Hund überrumpeln? Warum kann er nicht einfach sagen: ›Jetzt zeig ich dir Kummer‹, und dann das verdammte Ding herbringen - wenn wir alle darauf vorbereitet sind, Himmel nochmal!«
»Kummer?« sagte Egg und lugte unter der Bettdecke hervor.
»Es ist nur Kummer, Egg«, sagte ich. »Sieht er nicht lieb aus?« Egg lächelte den einfältig dreinblickenden Hund vorsichtig an.
»Er sieht wirklich lieb aus«, sagte Vater, plötzlich ganz zufrieden.
»Er grinst!« sagte Egg.
Lilly kam in Eggs Zimmer und drückte Kummer an sich; sie setzte sich und lehnte sich an den aufrecht dasitzenden Hund. »Sieh mal, Egg«, sagte sie, »du kannst ihn als
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