Das Hotel New Hampshire
darum kümmerte, war der Privatstrand kaum noch privat. Zwei Familien waren dort beim Picknick, als Frank und ich hinkamen; eine der Familien war mit einem Boot gekommen, aber die andere Familie war mit dem Auto unmittelbar bis an den Strand gefahren. Sie hatten dieselbe private Zufahrt wie Frank und ich benutzt, vorbei an dem verblaßten Schild, auf dem immer noch zu lesen war: Diesen Sommer geschlossen!
Die Kette, die einmal die Zufahrt versperrt hatte, war vor langer Zeit abgerissen und weggeschleppt worden.
»Es würde ein Vermögen kosten, das Ding auch nur bewohnbar zu machen«, sagte Frank.
»Wenn sie es überhaupt verkaufen wollen«, sagte ich.
»Wer, um Himmels willen, würde es behalten wollen?« fragte Frank.
Vom Immobilienmakler in Bath erfuhren wir schließlich, daß der Mann in der weißen Smokingjacke immer noch das Arbuthnot-by-the-Sea besaß - und immer noch am Leben war.
»Sie wollen den Besitz des alten Arbuthnot kaufen!« fragte der schockierte Makler.
Wir freuten uns über die Neuigkeit, daß es tatsächlich einen »alten Arbuthnot« gab.
»Ich habe nur mit seinen Anwälten zu tun«, sagte der Immobilienmakler. »Die versuchen schon seit Jahren, den Besitz loszuwerden. Der alte Arbuthnot lebt in Kalifornien«, erzählte uns der Makler, »aber er hat überall im Land seine Anwälte sitzen. Ich selber habe meistens mit dem in New York zu tun.«
Nun dachten wir, wir müßten nur noch dem New Yorker Anwalt mitteilen, daß wir es haben wollten, aber in New York informierte uns dann Arbuthnots Anwalt, daß Arbuthnot uns sehen wollte.
»Wir müssen also nach Kalifornien«, sagte Frank. »Der alte Arbuthnot scheint so senil wie einer der Habsburger, aber er verkauft nicht, solange er uns nicht kennengelernt hat.«
»Jessas Gott«, sagte Franny. »Das ist eine teure Reise, nur um jemanden kennenzulernen!«
Frank machte ihr klar, daß Arbuthnot die Kosten übernahm.
»Wahrscheinlich will er euch ins Gesicht lachen«, sagte uns Franny.
»Wahrscheinlich will er Leute kennenlernen, die verrückter sind als er«, sagte Lilly.
»Ich kann kaum glauben, daß ich so viel Glück habe!« rief Vater. »Allein wenn ich mir vorstelle, daß es immer noch zu haben ist!«
Frank und ich sahen keinen Grund, ihm von den Ruinen zu erzählen - und von dem schäbigen neuen Tourismus, der sein geliebtes Arbuthnot-by-the-Sea umgab.
»Er wird sowieso nichts davon zu sehen bekommen«, flüsterte Frank.
Und ich bin froh, daß Vater keine Gelegenheit hatte, den alten Arbuthnot zu sehen, der im Beverly Hills Hotel seine endgültig letzte Residenz hatte. Als Frank und ich auf dem Flughafen von Los Angeles ankamen, nahmen wir uns zum zweitenmal in dieser Woche einen Mietwagen und fuhren zu unserem Treffen mit dem betagten Arbuthnot.
In einer Suite mit eigenem Palmengarten trafen wir den alten Mann mit einer bereitstehenden Pflegerin, einem bereitstehenden Anwalt (diesmal war es ein kalifornischer Anwalt) und einem - wie sich herausstellen sollte - tödlichen Emphysem. Mit etlichen Kissen im Rücken saß er in einem mit allen Schikanen ausgerüsteten Klinikbett - behutsam atmend saß er neben einer Reihe von Klimageräten.
»Ich mag L.A.«, keuchte Arbuthnot. »Nicht so viele Juden hier wie in New York. Oder vielleicht bin ich gegen Juden endlich immun geworden«, fügte er hinzu. Dann wurde er von einem Husten, der ihn überraschend (und von der Seite her) zu überfallen schien, jäh auf sein Klinikbett geschleudert; es hörte sich an, als stecke ihm ein ganzes Truthahnbein im Hals - es schien unmöglich, daß er sich noch einmal erholte; es sah so aus, als bringe ihn sein unbeirrter Antisemitismus endlich um (das hätte Freud bestimmt glücklich gemacht), aber ebenso schnell, wie der Anfall ihn gepackt hatte, ließ er ihn wieder los, und der alte Mann war ganz ruhig. Seine Pflegerin schüttelte ihm die Kissen zurecht; der Anwalt legte ihm ein paar bedeutsam aussehende Dokumente auf die Brust und gab dem alten Arbuthnot einen Federhalter in die zitternde Hand.
»Ich sterbe bald«, sagte Arbuthnot zu Frank und mir - als ob wir das nicht auf den ersten Blick gesehen hätten. Er trug einen weißen Seidenpyjama und schien ungefähr hundert Jahre alt; er kann kaum über fünfzig Pfund gewogen haben.
»Sie sagen, sie seien keine Juden«, sagte der Anwalt zu Arbuthnot und deutete dabei auf Frank und mich.
»Ist das der Grund, weshalb Sie uns sehen wollten?« fragte Frank den alten Mann. »Das hätten Sie auch am Telefon
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