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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Frank und ich doch ziemlich sicher, daß er Jude war.
    Der alte Arbuthnot grinste nicht. »Israelische Kommandos?« sagte er.
    »Ratta-tat-tat-tat-tat!« sagte Frank, wie ein Maschinengewehr. Es sah aus, als wolle sich Irving Rosenman in die Klimageräte stürzen, um nicht laut hinauszulachen.
    »Die Bären werden sie schon erwischen«, sagte Arbuthnot seltsamerweise. »Die Bären werden alle Juden erwischen, am Ende«, sagte er - der besinnungslose Haß in seinem alten Gesicht war so altmodisch und so grell wie das Gentianaviolett in seinen Ohren.
    »Dann wünsch ich einen schönen Tod«, sagte Frank zu ihm.
    Arbuthnot fing an zu husten; er wollte noch etwas sagen, aber er konnte mit dem Husten nicht aufhören. Er winkte die Pflegerin zu sich, und sie hatte offenbar keine große Mühe, sein Husten zu interpretieren; sie war daran gewöhnt; sie winkte uns aus Arbuthnots Zimmer und kam dann nach und ließ uns wissen, was Arbuthnot uns noch hatte sagen wollen.
    »Er sagt, er wird sich den schönsten Tod leisten, der mit Geld zu bekommen ist«, sagte sie uns, und das - hatte Arbuthnot hinzugefügt - sei mehr, als wir beide erwarten könnten.
    Und Frank und mir fiel nichts ein, was wir dem alten Arbuthnot durch die Pflegerin hätten ausrichten können. Es genügte uns, ihn seinen Vorstellungen von israelischen Kommandos in Maine zu überlassen. Frank und ich verabschiedeten uns von Arbuthnots Pflegerin und von Irving Rosenman, und mit dem dritten Hotel New Hampshire in Franks Tasche flogen wir zurück nach New York.
    »Genau da solltest du's auch lassen, Frank«, sagte Franny. »In deiner Tasche.«
    »Du kannst doch aus dem alten Ding kein Hotel mehr machen«, sagte Lilly zu Vater. »Es hat seine Chance verspielt.«
    »Wir werden ganz bescheiden anfangen«, versicherte Vater Lilly.
    »Wir« - das waren Vater selbst und ich. Ich sagte ihm, ich würde mit ihm nach Maine gehen und ihm am Anfang helfen.
    »Dann bist du genauso verrückt wie er«, hatte Franny mir gesagt.
    Aber ich hatte eine Idee, von der Vater nie etwas erfahren sollte. Wenn ein Traum, wie Freud sagt, die Erfüllung eines Wunsches ist, dann gilt das - wieder nach Freud - auch für Witze. Ein Witz ist auch die Erfüllung eines Wunsches. Ich hatte da einen Witz für Vater; ich hatte ihm einen Streich zu spielen, und das läuft nun schon seit fünfzehn Jahren. Da Vater mittlerweile über sechzig ist, ist es wohl nur recht und billig, zu sagen, der Witz ist »angekommen«; es ist nur recht und billig, zu sagen, ich bin ungestraft davongekommen.
    Das letzte Hotel New Hampshire war nie - und wird nie - ein Hotel. Das ist der Streich, den ich Vater all diese Jahre gespielt habe. Lillys erstes Buch, Wachstumsversuche, brachte so viel Geld ein, daß wir das Arbuthnot-by-the-Sea hätten wiederherstellen können; und als sie die ganze Geschichte verfilmten, hätten wir auch das Gasthaus Freud zurückkaufen können. Vielleicht hätten wir uns da auch das Sacher leisten können; zumindest hätten wir das Stanhope kaufen können. Aber ich wußte, es war nicht nötig, daß das dritte Hotel New Hampshire ein wirkliches Hotel wurde.
    »Die ersten beiden«, sagte Frank dazu, »waren schließlich auch keine wirklichen Hotels.« In Wahrheit war Vater von Anfang an blind, oder Freuds Blindheit war ansteckend gewesen.
    Wir ließen das Gerümpel vom Strand entfernen. Wir ließen die Anlagen mehr oder weniger in ordnung bringen, was nichts anderes heißt, als daß wir wieder den Rasen mähten; und wir bemühten uns sogar um einen der Tennisplätze. Viele Jahre später bauten wir ein Schwimmbecken ein, weil Vater gern schwamm und weil es mich nervös machte, ihn im Meer schwimmen zu sehen; ich hatte immer Angst, er könnte die falsche Richtung einschlagen und aufs offene Meer hinausschwimmen. Und die Gebäude, die einst dem Personal als Unterkünfte gedient hatten - wo seinerzeit Mutter und Vater und Freud gewohnt hatten? Wir beseitigten sie einfach; wir überließen sie einem Abbruchunternehmen. Nachdem das Gelände planiert war, kam eine Asphaltdecke drauf. Wir sagten Vater, es sei ein Parkplatz, auch wenn wir es nie mit sehr vielen Autos zu tun hatten.
    Wir hängten unser Herz ans Hauptgebäude. Wo der Empfangsschalter gewesen war, bauten wir eine Bar ein; aus der Lobby machten wir ein riesiges Spielzimmer. Wir dachten dabei an die Dartsscheiben und die Billardtische im Cafe Mowatt, so daß es wohl zutrifft, wenn Franny sagt, wir hätten die Lobby in ein Wiener Kaffeehaus

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