Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
schon gar nicht Franny. Sie würde natürlich Frank die Schuld geben, und dazu neigte - damals - auch ich. Vater würde sich keine Vorwürfe machen - oder zumindest nur für kurze Zeit -, nur Mutter würde sich - aus unerfindlichen Gründen - noch einige Zeit länger Vorwürfe machen.
    Wenn wir uns stritten, schrie uns Vater gewöhnlich an: »Wißt ihr eigentlich, wie das eurer Mutter und mir zu schaffen macht? Stellt euch bloß mal vor, wir würden uns die ganze Zeit streiten, und ihr müßtet damit leben. Aber streiten wir uns vielleicht, eure Mutter und ich? Mal ehrlich? Und würde es euch vielleicht gefallen, wenn wir das täten?«
    Natürlich nicht; und sie stritten sich auch nicht - jedenfalls nicht oft. Es gab immer nur den einen Streitpunkt, das Warum-in-der-Zukunft-leben-anstatt-das-Heute-zu-genießen, und Coach Bob war da sehr viel energischer als Mutter, obwohl wir wußten, daß das auch ihre Meinung von Vater war (aber auch: daß Vater nun mal nicht anders könne).
    Uns Kindern kam das nicht so wichtig vor. Ich rollte Lilly auf die Seite, denn ich wollte mich flach auf den Rücken legen, mit beiden Ohren über dem Kopfkissen, um IowaBob hören zu können, der Frank die Treppe heraufgeleitete. »Sachte, Junge, stütz dich ruhig auf mich«, sagte Bob gerade. »Es kommt nur aufs richtige Atmen an.« Frank plärrte etwas, und Coach Bob sagte: »Aber wenn du einem Mädchen an die Titten gehst, Junge, darfst du dich nicht wundern, wenn du eins auf die Nüsse kriegst, das ist doch klar, oder?«
    Doch Frank plärrte weiter: daß Franny schrecklich zu ihm sei, daß sie ihn nie in Ruhe lasse, daß sie dauernd die anderen gegen ihn aufhetze, daß er ihr aus dem Weg gehen wolle und daß sie trotzdem immer da sei. »Immer wenn ich in Schwierigkeiten gerate, steckt sie dahinter!« heulte er. »Du weißt das alles nicht!« ächzte er. »Du weißt nicht, wie sie mich ärgert.«
    Aber ich wußte es, und Frank hatte recht; er war außerdem ziemlich unverträglich, und das war das eigentliche Problem. Franny war wirklich scheußlich zu ihm, aber Franny selbst war nicht scheußlich; und Frank war eigentlich zu keinem von uns scheußlich, nur daß er eben selbst irgendwie scheußlich war. Es war alles so verwirrend für mich, als ich dalag. Lilly fing an zu schnarchen. Vom anderen Ende des Gangs hörte ich Egg schniefen und fragte mich, was Coach Bob wohl tun würde, wenn Egg aufwachte und nach Mutter schrie. Bob war mit Frank im Bad und hatte alle Hände voll zu tun.
    »Nun komm schon«, sagte Bob. »Du schaffst das schon.« Frank schluchzte immer noch. »Na also!« rief Iowa-Bob, als habe die gegnerische Mannschaft den Ball vertändelt. »Siehst du? Kein Blut, mein Junge - nur Pisse. Dir ist nichts passiert.«
    »Du weißt nicht, wie es ist«, sagte Frank immer wieder. »Du weißt es nicht.«
    Ich ging nachsehen, was Egg wollte; mit seinen drei Jahren wollte er bestimmt etwas Unerreichbares, dachte ich mir, doch zu meiner Überraschung war er guter Dinge, als ich in sein Zimmer kam. Er war offensichtlich erstaunt, mich zu sehen, und nachdem ich ihm all seine Stofftiere ins Bett zurückgebracht hatte - er hatte sie im ganzen Zimmer rumgeschmissen -, begann er mich einem nach dem anderen vorzustellen: dem abgewetzten Eichhörnchen, das er schon so oft vollgespieen hatte, dem fadenscheinigen Elefanten mit dem einen Ohr, dem orangefarbenen Nilpferd. Sowie ich aber rauszugehen versuchte, wurde er unruhig, und so nahm ich ihn mit auf mein Zimmer und legte ihn in mein Bett, neben Lilly. Dann trug ich Lilly zurück in ihr eigenes Bett, obwohl das bei ihrem Gewicht ziemlich weit war, und sie wachte auf und protestierte, noch ehe ich sie in ihrem Bett verstaut hatte.
    »Mich läßt du nie in deinem Zimmer schlafen«, sagte sie - und schlief augenblicklich wieder ein.
    Ich ging in mein Zimmer zurück und stieg ins Bett zu Egg, der hellwach war und Unsinn plapperte. Er war jedenfalls glücklich. Unten hörte ich Coach Bob reden - mit Frank, glaubte ich zunächst, doch dann wurde mir klar, daß Bob auf Kummer, unseren alten Hund, einredete. Frank war wohl schlafen oder zumindest schmollen gegangen.
    »Du stinkst noch schlimmer als Earl«, hielt Iowa-Bob dem Hund vor. Und wahrhaftig, Kummer verbreitete einen fürchterlichen Gestank; nicht nur seine Fürze, sondern auch sein übler Mundgeruch konnten einen umbringen, wenn man nicht aufpaßte, und der Gestank des alten schwarzen Labradorhunds schien auch mir noch abscheulicher als die

Weitere Kostenlose Bücher