Das Hotel New Hampshire
genießt er denn sein Leben nicht?«
»Bei dem Job?« sagte Vater. »Genießt du vielleicht deinen Job?«
Wir konnten uns gut vorstellen, wie unser Großvater, Coach Bob, vor Wut kochte; die meisten Auseinandersetzungen mit meinem Vater, der gewandter war als er, endeten damit, daß Iowa-Bob vor Wut kochte; wenn Bob das Gefühl hatte, übertrumpft worden zu sein, obwohl er im Recht war, dann kochte er. Franny und Lilly und ich konnten uns vorstellen, wie sein knorriger, kahler Kopf glühte. Es stimmte zwar, daß er der Dairy School nicht mehr Achtung entgegenbrachte als mein Vater, aber Iowa-Bob hatte sich, wie er glaubte, wenigstens eingesetzt für eine Sache, und er hätte es einfach gern gesehen, daß sich mein Vater für das, was er tat, interessierte, anstatt sich - wie Bob meinte - nur für die Zukunft zu interessieren. Schließlich hatte Bob einmal einen Rückraumspieler gebissen; meinen Vater hatte er noch nie so engagiert erlebt.
Wahrscheinlich war er bekümmert darüber, daß mein Vater für keine Sportart Feuer fing, obwohl Vater ein sportlicher Typ war und Spaß an sportlicher Betätigung hatte. Und Iowa-Bob liebte meine Mutter sehr; er hatte die ganzen Jahre über Kontakt mit ihr, als mein Vater weg im Krieg war, weg auf der Harvard University und weg auf Tournee mit Earl. Coach Bob dachte wahrscheinlich, mein Vater kümmere sich nicht genügend um seine Familie; ich weiß, daß Bob in den letzten Jahren der Meinung war, Vater habe sich nicht genügend um Earl gekümmert.
»Entschuldigung«, hörten wir Frank sagen; Franny packte mich um die Hüfte, ihre Hände trafen sich in meinem Kreuz; ich versuchte ihr Kinn von meiner Schulter wegzudrücken, aber Lilly saß auf meinem Kopf.
»Was ist denn, mein Junge?« sagte Mutter.
»Was gibt's, Frank?« sagte Vater, und an dem plötzlichen Knarren eines Stuhles erkannten wir, daß sich Vater Frank geschnappt hatte. Damit Frank ein bißchen lockerer wurde, wollte er dauernd mit ihm ringen, oder er versuchte, mit ihm herumzualbern, aber Frank ging nicht darauf ein. Franny und mir machte es unheimlich Spaß, wenn Vater mit uns herumtobte, aber Frank schätzte das überhaupt nicht.
»Entschuldigung«, wiederholte Frank.
»Schon gut, schon gut«, sagte Vater.
»Franny ist nicht auf ihrem Zimmer, sie ist bei John im Bett«, sagte Frank. »Und Lilly ist auch bei ihnen. Sie hat ihnen etwas zu essen gebracht.«
Ich spürte, wie Franny von mir wegglitt; im Nu war sie aus meinem Bett und aus meinem Zimmer, ihr Flanellnachthemd blähte sich wie ein Segel im Luftzug, der von der Treppe herkam; Lilly schnappte ihr Leintuch und kroch in meinen Schrank. Das alte Batessche Haus war riesig; es gab so viele Verstecke, aber meine Mutter kannte sie alle. Ich erwartete, daß Franny in ihr Zimmer zurücksausen würde, aber ich hörte sie stattdessen die Treppe hinunter gehen, und dann hörte ich sie brüllen.
»Du mieser Fiesling!« brüllte sie Frank an. »Du Scheißhaufen! Du Furz im Sturzflug!«
»Franny!« sagte Mutter.
Ich lief zum obersten Treppenabsatz und drückte mich ans Geländer; die Treppen waren mit einem Teppich belegt, dem gleichen dicken und weichen Teppich, der überall im Haus lag. Ich sah, wie im Eßzimmer Franny Frank sofort in die Kopfzange nahm. Sie hatte ihn schnell am Boden - Frank war langsam und wußte mit seinem Körper nicht viel anzufangen; seine Koordination war schlecht, dafür war er kräftiger gebaut als Franny, und viel kräftiger als ich. Ich raufte selten mit ihm, auch nicht zum Spaß; Raufen zum Spaß gab's kaum bei Frank, und auch wenn es zum Spaß war, konnte er einem weh tun. Er war zu klobig, und trotz seiner Abneigung gegen alles Körperliche hatte er viel Kraft. Er hatte auch eine Art, mit seinem Ellbogen das Ohr des anderen zu finden, oder mit seinem Knie dessen Nase. Er gehörte zu den Kämpfern, deren Finger und Daumen immer ein Auge fanden oder deren Kopf ruckzuck dem Gegner die Lippen an den eigenen Zähnen blutig schlug. Es gibt Leute, die sich in ihrem eigenen Körper so unwohl fühlen, daß sie jedem anderen Körper in die Quere zu kommen scheinen. Frank war so einer, und ich ließ ihn in Ruhe, und das nicht nur, weil er zwei Jahre älter war.
Franny konnte nicht anders, sie mußte sich gelegentlich mit ihm anlegen, aber dabei taten sie einander fast immer weh. Ich sah Franny nun in einer mörderischen Umklammerung mit Frank unter dem Eßtisch.
»Geh dazwischen, Win!« sagte meine Mutter, aber Vater stieß mit dem Kopf
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