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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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üblen Gerüche, die mir von Earl noch schwach in Erinnerung waren. »Was machen wir bloß mit dir?« sagte Bob murmelnd zu dem Hund, der so gern unter dem Tisch im Eßzimmer lag und ganze Mahlzeiten lang vor sich hin furzte.
    Iowa-Bob machte unten einige Fenster auf. »Komm, mein Junge«, rief er Kummer. »Gott im Himmel«, sagte Bob mit angehaltenem Atem. Ich hörte, wie die Haustür aufging; Coach Bob hatte Kummer vermutlich vor die Tür gesetzt.
    Ich lag wach im Bett, und Egg krabbelte munter auf mir herum, während ich darauf wartete, daß Franny zurückkam. Wenn ich wach blieb, kam sie bestimmt noch zu mir herein und zeigte mir ihre Stiche. Als Egg endlich eingeschlafen war, trug ich ihn in sein Zimmer und zu seinen Tieren zurück.
    Kummer war immer noch draußen, als Vater und Mutter mit Franny im Auto zurückkamen; wenn er mich nicht mit seinem Bellen aufgeweckt hätte, hätte ich sie verpaßt. »Na, das sieht doch ganz gut aus«, hörte ich Coach Bob sagen, der offensichtlich die geflickte Lippe begutachtete. »Das gibt nicht mal eine Narbe, wart nur ab.«
    »Fünf Stück«, sagte Franny schwerfällig, als hätten sie ihr eine zweite Zunge eingenäht.
    »Fünf!« rief Iowa-Bob. »Phantastisch!«
    »Der Hund hat ja wieder im Haus rumgefurzt«, sagte Vater; er hörte sich müde und verdrossen an, als hätten sie, solange sie weg waren, geredet, geredet und immer nur geredet.
    »Er ist doch so süß«, sagte Franny, und ich hörte Kummers harten Schwanz gegen einen Stuhl oder die Anrichte klopfen - zack, zack, zack. Nur Franny konnte stundenlang neben Kummer liegen, ohne an dem vielfältigen Gestank des Hundes Anstoß zu nehmen. Allerdings schien Franny überhaupt gegen Gerüche nicht so empfindlich zu sein wie wir anderen. Sie hatte Egg immer anstandslos trockengelegt - und davor auch schon Lilly, als wir alle noch viel jünger waren. Und wenn Kummer - in seiner Senilität - über Nacht ein Malheur passierte, fand Franny den Hundedreck nie unangenehm; kräftigen Dingen begegnete sie mit einer fröhlichen Neugier. Von uns allen hielt sie es am längsten ohne ein Bad aus.
    Ich hörte, wie all die Erwachsenen Franny ihren Gutenachtkuß gaben, und ich dachte: Familien müssen wohl so sein - eben noch Kämpfe bis aufs Blut, und im Handumdrehen die große Versöhnung. Genau wie ich es vorausgesehen hatte, kam Franny in mein Zimmer, um mir ihre Lippe zu zeigen. Die Fäden waren von einem kräftigen, glänzenden Schwarz, wie Schamhaare; Franny hatte Schamhaare, ich nicht. Frank hatte auch welche, aber er haßte sie.
    »Weißt du, wie deine Fäden aussehen?« fragte ich sie.
    »Klar weiß ich das«, sagte sie.
    »Hat er dir weh getan?« fragte ich sie, und sie beugte sich über mein Bett und ließ mich ihre Brust anfassen.
    »Es war die andere, du Dummi«, sagte sie und richtete sich wieder auf.
    »Du hast Frank voll erwischt«, sagte ich.
    »Ja, ich weiß«, sagte sie. »Gute Nacht.« Dann steckte sie nochmal den Kopf durch die Tür. »Wir ziehen wirklich in ein Hotel«, fügte sie hinzu. Dann hörte ich sie in Franks Zimmer gehen.
    »Willst du meine Fäden sehen?« flüsterte sie.
    »Klar«, sagte Frank.
    »Weißt du, wie die aussehen?« fragte ihn Franny.
    »Sie sehen ekelhaft aus«, sagte Frank.
    »Ja schon, aber weißt du, was so ähnlich aussieht?«
    »Ja, ich weiß«, sagte er, »und sie sind ekelhaft.«
    »Tut mir leid wegen deinen Eiern, Frank.«
    »Schon gut«, sagte er. »Es geht schon wieder. Und mir tut's leid wegen deiner ...«, aber er brachte den Satz nicht zu Ende, denn er hatte noch nie in seinem Leben »Brust«, geschweige denn »Titte« gesagt. Franny wartete; ich auch. »Tut mir leid wegen der ganzen Sache«, sagte Frank schließlich.
    »Okay, klar«, sagte Franny. »Mir auch.«
    Dann hörte ich, wie sie's bei Lilly versuchte, aber Lilly ließ sich in ihrem tiefen Schlaf nicht stören. »Willst du meine Fäden sehen?« flüsterte Franny. Dann, nach einer Weile: »Träum schön, Kleines.«
    Es wäre natürlich sinnlos gewesen, Egg die Fäden zu zeigen. Er hätte geglaubt, an Frannys Lippen sei etwas vom Essen hängengeblieben.
    »Soll ich dich nach Hause fahren?« fragte mein Vater seinen Vater, aber der alte Iowa-Bob sagte, ihm würde die Bewegung ganz guttun.
    »Für dich leben wir ja vielleicht in einem Drecknest«, sagte Bob, »aber wenigstens sind hier nachts die Straßen sicher.«
    Ich horchte weiter; ich wußte, daß meine Eltern allein waren.
    »Ich liebe dich«, sagte mein Vater.
    Und meine

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